Streik – kein Wahlkampf

Verdi streikt, Finanzminister schweigt

Mit den gestrigen Warnstreiks der Dienstleitungsgewerkschaft Verdi wollen die Beschäftigten des öffentlichen Dienstes die Übernahme des Tarifmodells erstreiten, das im Februar zwischen Gewerkschaften, Bund und Kommunen ausgehandelt wurde. Der Finanzminister des Landes, Jochen Dieckmann (SPD) hat ein Problem: Die Landesregierung kann Streiks vor der Landtagswahl am 22. Mai nicht gebrauchen.

„Die Arbeitgeber streiten sich untereinander“, vermutet Hans-Dieter Warda, Landesfachsekretär im „Fachbereich Bund-Länder“ bei Verdi NRW. Denn es könne vermutet werden, dass Landesfinanzminister Dieckmann bei den Verhandlungen zwischen den Stühlen sitze. Schließlich wird die Verhandlungsrunde seitens der Länder von Niedersachsens CDU-Finanzminister Hartmut Möllring angeführt. Und die CDU-Länder haben sich dafür ausgesprochen, Öffnungsklauseln für die Länder in den neuen Tarifvertrag einzubringen. So sagte Möllring als Verhandlungsführer für die Tarifgemeinschaft deutscher Länder gestern, es sei alles verhandelbar, bis auf die drei Öffnungsklauseln „in den Bereichen Weihnachtsgeld, Urlaubsgeld und Arbeitszeit“. Zudem sagte Möllring: „Die 38,5-Stunden-Woche ist nicht verhandelbar.“

Genau die ist aber im Tarifvertrag zwischen Gewerkschaften, Bund und Kommunen festgeschrieben worden, vereinbart wurde auch, dass die Länder letztlich nicht besser dastehen dürfen als Bund und Kommune. Daher hatte Dieckmann angekündigt, notfalls auch über einen Lohnausgleich für Mehrarbeit verhandeln zu wollen.

Mit seinem Kollegen Möllring hat Dieckmann nach Angaben seines Sprechers Hartmut Müller-Gerbes aber noch nicht gesprochen. „Warum sollte er das tun“, fragt Pressemann Müller-Gerbes. „Die müssen nicht miteinander reden“. Schließlich habe das Land NRW Fachleute in der Kommission sitzen. Zur Frage, ob die Gefahr bestehe, dass Möllring die Tarifverhandlungen zum Wahlkampf für seinen Parteikollegen und NRW-CDU-Spitzenkandidaten Jürgen Rüttgers nutzen könne, wollte sich Müller-Gerbes gestern nicht äußern.

Immerhin behält sich Dieckmann auch Alleingänge für das Land NRW vor. Solle es auf Arbeitgeberseite nicht mehr um Tarifverhandlungen gehen, sondern um einen Kulturkampf gegen die Gewerkschaften, dann könne die Solidarität mit den anderen Bundesländern schnell enden, so Dieckmann laut Presseberichten. Daher streikten gestern zwar auch in Nordrhein-Westfalen die Beschäftigten des öffentlichen Dienstes – die ganze Wucht des Streiks bekam aber die niedersächsische Landeshauptstadt ab: Streiks behinderten die Anreise zur weltgrößten Industriemesse in Hannover. ELMAR KOK