Rätselstunde mit Captain Peer

Ministerpräsident, „Kabeljau“, und jetzt auch lebendiges Mirakel: Regierungschef Peer Steinbrück gibt Freund und Feind mit seinen kryptischen Koalitionsspekulationen ein Rätsel bis zum 22. Mai auf

VON MARTIN TEIGELER

„Schlingern mit Steinbrück“ statt „klarer Kurs“ – sechs Wochen vor der Wahl am 22. Mai hat sich der Kapitän der Landesregierung im Kommandoton vergriffen. Mit seinen rätselhaften Äußerungen zur Zukunft von Rot-Grün (taz berichtete) sorgt Ministerpräsident Peer Steinbrück (SPD) für Unruhe an Bord. Die eigene Mannschaft, der Koalitionspartner, Gegner und politische Beobachter rätseln, was Steinbrück gemeint hat mit Sätzen wie: „Welche Koalition am Ende dabei herauskommt, wird das konkrete Wahlergebnis zeigen.“ Rot-Grün also doch nicht? Fällt die Mutter aller Lagerwahlkämpfe, SPD und Grüne gegen das schwarz-gelbe Imperium, etwa aus? Ja? Nein? Vielleicht?

Der Regierungssprecher: Oliver Schumacher, Sprachrohr der Landesregierung, sah sich bis zum Redaktionsschluss dieser Ausgabe nicht in der Lage, seinen Chef zu erklären.

Der Parteifreund: Auch bei der NRW-SPD erntete Steinbrück gestern offiziell kollektives Schweigen. Motto: Der Captain hat gesprochen, Ruhe in der Kombüse. „Das war doch nur eine Binsenweisheit, was Steinbrück gesagt hat“, sagt ein Sozialdemokrat aus dem NRW-Parteipräsidium. Die Partei kämpfe für Rot-Grün. Basta. Die Partei, ja. Aber Peer Steinbrück?

Der Generalsekretär: Einer der wenigen Spitzengenossen, die Steinbrück-Exegese betrieben, war gestern SPD-Sekretär Klaus Uwe Benneter. Er sehe in den Steinbrück-Aussagen „keinen Widerspruch“ zur Linie der Bundespartei, sagte Benneter in Berlin. Wenn es nach dem Ergebnis möglich sei, werde auch die rot-grüne Koalition in Düsseldorf fortgesetzt. Diese Position habe die SPD stets auch in anderen Wahlkämpfen vertreten, sagte Benneter. Im übrigen mache man sich auch im Fußball „in den letzten zehn Spielminuten keine Gedanken darüber, mit wem man nach Spielende duschen geht“.

Der Koalitionspartner: Grünen-Chef Reinhard Bütikofers Kommentar: „Warten wir ab, wie viele Optionen er am Wahlabend wirklich auf dem Tisch hat.“ Der grüne Vize-Ministerpräsident Michael Vesper (Grüne) sagte, Rot-Grün sei „fest entschlossen, auch nur mit einer Stimme Mehrheit, das Bündnis fortzusetzen“. Ob das die Mehrheitsmeinung im Kabinett ist? Eine andere Spekulation aus grünen Kreisen: Steinbrück habe die SPD nur ins Gespräch bringen wollen, um CDU-Herausforderer Jürgen Rüttgers von den Titelseiten der Zeitungen zu verdrängen. Soso.

Der Gegner: CDU und FDP lehnen eine Koalition mit der SPD ab. FDP-Fraktionschef Ingo Wolf jubelte über Steinbrücks „Schlingerkurs“ und belehrte die Wahlberechtigten: „Deshalb muss jeder Wähler wissen: Steinbrück hat nur die rot-grüne Option.“

Der Politikwissenschaftler: „Ich weiß nicht, ob das taktisch so geschickt war“, sagt Uwe Andersen von der Ruhr-Universität Bochum über Steinbrücks Wortwahl. Der Politologe attestiert Steinbrück eine ungewöhnliche, aber „realistische Bestandsaufnahme“. Es sei ja bekannt, dass der Ministerpräsident ähnlich wie sein SPD-Amtsvorgänger Wolfgang Clement nie als Freund des rot-grünen Modells galt. Richtig an Steinbrücks Aussage sei, dass die Wähler keinen Lagerwahlkampf schätzten, so Andersen: „SPD-Wähler wählen in erster Linie ihre Partei und nicht eine Koalitionsoption.“