Im Koran kommt Prügel nicht vor

Auf Einladung der Türkisch-Islamischen Union der Anstalt für Religion (DITIB) diskutieren türkische und deutsche Experten in Köln über Gewalt in türkisch-muslimischen Familien

KÖLN taz ■ Das Thema war einigen Musliminnen sichtlich unangenehm. Gleich zu Beginn der Tagung „Familie und Frau im Islam, Erfahrungen und Aufgaben in der Gewaltproblematik“ versuchten sie ihren Glauben gegen den Vorwurf zu verteidigen, der Islam legitimiere Gewalt an Frauen. „Kann es nicht sein, dass Frauenhäuser zu verlockend sind?“, fragte eine. Und: „Um ihren Willen durchzusetzen, drohen doch unsere Frauen und Mädchen Männern damit, zum Jugendamt oder ins Frauenhaus zu gehen.“

Häusliche Gewalt, Zwangsheirat und Ehrenmorde sowie die Frage nach deren Zusammenhang mit dem Islam waren Thema der Veranstaltung, zu der die Türkisch-Islamische Union der Anstalt für Religion (DITIB) am Samstag nach Köln geladen hatte. Ziel der Organisation, die die Tagung in Zusammenarbeit mit den interreligiösen Abteilungen der evangelischen und katholischen Kirche vorbereitet hatte, war es, der deutschen Öffentlichkeit zu vermitteln, dass der Islam keine Form der Gewalt an Frauen legitimiere. Fachleute aus Kirche und Wissenschaft, unter ihnen auch die Beauftragte der Bundesregierung für Migration, Flüchtlinge und Integration, Marie-Luise Beck (Grüne), stellten vor 150 Teilnehmern die Existenz der Gewalt an Frauen und Mädchen nicht nur, aber auch in muslimischen Kreisen fest und sahen Handlungsbedarf.

„Unsere Probleme sind nicht durch den Islam bedingt“, nahm die Theologin Zeynep Cesen vorweg. „Wir Frauen haben Probleme in der Familie, weil wir unsere Rechte nicht einfordern.“ Aber anstatt Gewalt in muslimischen Familien in der türkischen Community in Deutschland oder in der Türkei zu problematisieren, zitierte sie Zahlen aus einer FBI-Studie über Gewalt an Frauen in den USA und führte die vollen Frauenhäuser dort als Indiz für grassierende häusliche Gewalt in dem Land an. Auch mit Ehrenmorden oder Zwangsheirat mochte sich Cesen nicht auseinandersetzen. „Ehrenmorde sind nichts weiter als gemeine Morde und haben mit dem Islam nichts zu tun.“ Als die Türkei einen Termin für EU-Beitrittsverhandlungen erhielt, hätten sich solche Berichte gehäuft. „Da steckt doch Absicht dahinter“, lenkte Cesen vom Thema ab. Als Ursache für häusliche Gewalt machte sie „mangelnde Bildung“ aus.

Dabei war an Schuldzuweisungen gegen den Islam keinem der teilnehmenden Deutschen gelegen. Eher lauschten diese mit großem Interesse den Ausführungen des eigens aus der Türkei angereisten Yunus Vehbi Yavuz von der Universität Uludag. Professor Yavuz belegte mit zahlreichen Zitaten aus dem Koran den hohen Stellenwert der Frau und die Ablehnung jeglicher Gewalt und Unterdrückung von Frauen im Islam. Auch für den DITIB-Vorsitzenden Ridvan Cakir ist häusliche Gewalt eine Frage mangelnder Bildung. „Unsere Gesellschaft hat zu wenig Bildung erfahren. Regional unterschiedliche Sitten werden mit Religion gleichgesetzt. Viele dieser Sitten stehen im Widerspruch zum islamischen Glauben“, so Cakir. „Hier müssen wir mit Aufklärung ansetzen.“

Die Öffnung der DITIB in dieser Frage wurde ausdrücklich begrüßt. „Das Problem von Gewalt in türkisch-muslimischen Familien ist nicht allein durch rechtliche oder Ordnungsmaßnahmen zu lösen. Der Wille der Community, die Probleme von innen zu lösen, muss vorhanden sein“, stellte Ursula Boos-Nünning, Expertin für Interkulturelle Pädagogik, fest. „Die Selbstorganisationen sind wichtig. Sie müssen gestärkt werden und Mittel für eigene Beratungsstellen und auch für eigene Frauenhäuser erhalten.“ CILER FIRTINA