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Das Bundesverfassungsgericht entscheidet, ob der Hamburger Mamoun Darkazanli, mutmaßliches al-Qaida-Mitglied, ausgeliefert werden darf

Schon jetzt ist klar, dass der Fall Rechtsgeschichte schreiben wird

Von Elke Spanner

Der Fall des in Hamburg lebenden Mamoun Darkazanli wird in Karlsruhe hoch gehängt. Zwei Tage hat das dort ansässige Bundesverfassungsgericht ab morgen zur Anhörung über die Frage angesetzt, ob der Deutsch-Syrer nach Spanien ausgeliefert werden darf. Denn dabei geht es nicht allein um das individuelle Schicksal Darkazanlis, dem vorgeworfen wird, eine Schlüsselfigur im al-Qaida-Netzwerk von Osama Bin Laden zu sein. Auf dem Prüfstand steht generell die Vereinbarkeit europäischer Politik mit dem deutschen Recht.

Darkazanli ist das erste Opfer des „europäischen Haftbefehls“. Diesen in der Tasche, hatten die deutschen Behörden bereits im November einen Flug für ihn nach Madrid gebucht. Vor einer Auslieferung aber, befanden jedoch die Verfassungsrichter, müsse geklärt werden, ob der „europäische Haftbefehl“ überhaupt mit dem Grundgesetz vereinbar ist. Der Platz in der Iberia-Maschine blieb leer.

Darkazanli kam in den 80er Jahren nach Deutschland und betrieb einen kleinen Import-Export-Handel. Er ist mit einer Deutschen verheiratet, lebt mit dieser in Uhlenhorst und besitzt inzwischen selbst die deutsche Staatsbürgerschaft. Seit Mitte der 90er Jahre, so der Vorwurf, soll er das al-Qaida-Netzwerk und damit eine „terroristische Vereinigung“ unterstützt haben. So soll er beispielsweise Bankvollmacht für das Konto von Mamdouh Mahmud Salim gehabt haben, der 1998 als „Finanzchef“ von al-Qaida verhaftet wurde. Über sechs Jahre sammelten die deutschen Ermittler belastendes Material gegen Darkazanli. Nur: Strafbar war sein Handeln nicht. Erst seit 2002 ist die Arbeit für eine ausländische Terrorgruppe hierzulande unter Strafe gestellt. Die Ermittlungen liefen ins Leere.

In Spanien aber sieht die Rechtslage anders aus. Die Unterstützung ausländischer Terrorgruppen war dort schon vor 2002 strafbar. Und auch dort hat ein Untersuchungsrichter, Baltasar Garzón, Material gegen Darkazanli zusammengetragen, seit dieser offenbar Kontakt zu einem mutmaßlichen Führer der dortigen al-Qaida-Zelle aufgenommen hat. Garzón beantragte die Auslieferung Darkazanlis, um diesem in Spanien den Prozess zu machen.

Das Werkzeug dafür hat ihm der Europäische Rat geliefert. Der beschloss den „europäischen Haftbefehl“, der seit August vorigen Jahres auch Deutschland verpflichtet, eigene Staatsbürger zur Strafverfolgung sogar für Taten auszuliefern, die hierzulande nicht strafbar sind. Im Oktober wurde Darkazanli vor seiner Wohnung in Uhlenhorst festgenommen, seither sitzt er in Auslieferungshaft.

Vertreten wird er morgen in Karlsruhe von der Hamburger Rechtsanwältin Gül Pinar und ihrem Karlsruher Kollegen Michael Rosenthal. Die beiden haben schon gemeinsam den Freispruch für den Terrorverdächtigen Abdelghani Mzoudi vor dem Hamburger Oberlandesgericht erwirkt. Trotz dieser Erfahrung betreten die beiden in Karlsruhe neues Terrain. „Dieses Verfahren“, sagt Pinar, „beinhaltet alles, was je an Fragen zum europäischen Haftbefehl aufgeworfen wurde.“ Deshalb steht den beiden AnwältInnen der Bonner Völkerrechtsprofessor Matthias Herdegen zur Seite.

Denn Rechtsprechung zur „dritten Säule“ europäischer Zusammenarbeit, auf die Darkazanlis Verteidiger sich stützen könnten, gibt es bislang nicht. Schon jetzt ist deshalb klar, dass der Fall des Hamburger Deutsch-Syrers Rechtsgeschichte schreiben wird.