Da steht’n Wert auf’m Flur

Derzeit wird wieder einmal darüber diskutiert, wie unsere wichtigen Werte Kindern und Jugendlichen vermittelt werden können. Denn mit Werte-Unterricht an den Schulen ist es noch lange nicht getan

Werte Leserinnen und Leser,

Werte sind wieder was wert, die entsprechende Debatte ist im vollen Galopp und nicht mehr aufzuhalten. Angestoßen wurde sie ausgerechnet in der vielleicht agnostischsten Stadt der Welt, in Berlin.

Dort hat die regierende SPD an Schulen die „Wertekunde“ zum Pflichtfach gemacht. Um „Defizite im Wissen um Werte und Religionen“ abzubauen, wie Oberbürgermeister Klaus Wowereit betont. Christdemokraten wie Brandenburgs Innenminister Jörg Schönbohm warnen vor der Vermittlung falscher, womöglich sogar „rot-roter“ Werte. Weil Werte „ja auch immer mit weltanschaulichen Überzeugungen zu tun haben“, wie Bundestagspräsident Wolfgang Thierse (SPD) vermutet. Während Landesbischof Wolfgang Huber klipp und klar ein „Austrocknen“ des Religionsunterrichts befürchtet, scheut der saarländische Ministerpräsident Wolfgang Müller (CDU) den Verlust spezifisch christlicher Werte keineswegs: „Auch die Schule muss Werte vermitteln.“

Christliche Werte? Islamische? Die Werte der Aufklärung? Geht es um den Austausch von Werten? Oder um das Erlernen? Keiner weiß es, aber schon gaben die 225 Werte des Nikkei-Index bis zum Mittag um 0,87 Prozent auf 11.772 Punkte nach. Allerhöchste Zeit, endlich zu handeln! Nicht nur in der Schule! Es muss darum gehen, die wertfreien Kinder und Jugendlichen dort abzuholen, wo sie sich täglich herumtreiben.

So könnte der öffentlich-rechtliche Kinderkanal aus Erfurt, ohnehin ein wertvolles Programm, zur Wertevermittlung beitragen. Mit den beiden neunmalklugen Moralaposteln „Ernie & Wert“ zum Beispiel. Und mit Bernd, dem Vollwertbrot.

„Werther’s Echte“ könnten sich ohne Geschmacksverlust in „Echte Werte“ umbenennen, um gerade die Kleinsten auf den Pfad der Tugend zu holen. Gleiches gilt für den Süßigkeitenhersteller Ferrero: „In jedem siebten Ei ist jetzt ein Wert dabei“.

Auch nach der Pubertät sind die Kinder noch lange nicht in den Brunnen gefallen. So könnte sich die Firma Jamba wieder Freunde machen, wenn sie die Palette ihrer Klingeltöne („Sächsischer Orgasmus“ etc.) erweitert und Werte zum Downloaden anbietet. Wer würde nicht gerne zum Handy greifen, wenn es sich mit einem anschwellenden „Du sollst nicht töten!“ oder „Du sollst nicht ehebrechen!“ meldet.

Die ohnehin schnellstmöglich anzukurbelnde Binnennachfrage könnte uns alle zu den Wühltischen von Wertheim führen – in die der KarstadtQuelle-Konzern seine Kaufhäuser im Zuge der Debatte schleunigst umbenennen sollte. Ein attraktives Werte-Angebot im Used-Look und mit Fransen-Optik könnte H & M junge Kunden abjagen.

Und wo wir gerade von der Verantwortung der freien Wirtschaft reden: Auch dem Privatfernsehen stünde eine Sendung mit allgemeiner Wertschätzung gut zu Gesicht. Wie wär’s mit „Deutschland sucht den Superwert“, mit einem von Dieter Bohlen bearbeiteten Wertekanon als schmissiger Erkennungsmelodie zum Mitsingen?

Leitmedien wie die Süddeutsche Zeitung wiederum sollten auf ihre ureigene Art in die Sinnstiftungsdebatte eingreifen – und die 50 besten Lieblingswerte von der Redaktion auswählen lassen, um sie ihren Abonnenten zu vergünstigten Preisen anzubieten.

Und wo wir gerade bei München sind (und bei der Presse): Giovanni di Lorenzo könnte zu seinen Wurzeln zurückkehren und die Gesellschaft mit der längsten Wertschöpfungslichterkette der Welt wachrütteln.

Und wenn dann alle diese Maßnahmen endlich gegriffen haben, dann können wir uns vielleicht endlich darüber unterhalten, welche Werte wir eigentlich meinen. FRA, CLEM