HUNDERT TAGE LKW-MAUT – DER MAKEL EINER ERFOLGSGESCHICHTE
: Verkehrspolitik ohne Richtung

Prima, die Lkw-Maut funktioniert. Verkehrsminister Manfred Stolpe zeigt sich hoch erfreut, vergessen sind die Pannen und Millionenverluste vor dem Start des Systems. Der SPD-Mann feiert, dass die kleinen Boxen in den großen Lastern mit Satelliten verbunden sind, die Gebühren endlich automatisch abrechnen und reichlich Geld in die Staatskasse spülen. Schön und gut. Doch hat das alles lang genug gedauert und ist der Rede eigentlich nicht wert. Und vor allem: Es lenkt ab.

Bei der Maut geht es nicht zuallererst um Technik, sondern um ein rot-grünes Herzensanliegen. Äpfel, Holz, Stahlteile sollen umweltfreundlich auf der Schiene transportiert werden und nicht mehr in dieselnden Lastern auf der Straße. „Verkehrswende“ nennt sich das. Doch davon spricht Minister Manfred Stolpe bei der ganzen Maut-Lobhudelei überhaupt nicht mehr. Kein Wunder, biegen die Zwölftonner von der Autobahn allenfalls auf die kostenlose Landstraße ab. Spediteure hieven ihre Waren noch längst nicht auf Waggons. Dafür ist die Kilometergebühr von rund 12 Cent offensichtlich zu gering. Sie wirkt nicht. Daran ändert sich auch nichts, wenn Stolpe den Wegezoll demnächst auf Bundesstraßen ausdehnt. Er muss ihn schnellstens Stück für Stück erhöhen. Saubere Techniken dürfen dabei belohnt werden, weniger rußende Laster etwas besser davonkommen. Doch jeder Fuhrunternehmer muss eine Last spüren. Das liegt auch in ihrem eigenen Interesse. Denn der Gütertransport, glaubt man Prognosen, wird sich bis zum Jahr 2015 mindestens verdoppeln. Bewegt sich politisch nichts, werden sich spätestens dann die Laster auf den Autobahnen drängeln. Je schneller die Container in Waggons kommen, umso besser.

Doch fehlt der rot-grünen Verkehrspolitik die Richtung. Für Spediteure zählt vor allem Geschwindigkeit – und die ist derzeit auf der Straße am höchsten, weil das Schienenetz seit Jahren vernachlässigt wird. Trotzdem sollen nun noch Maut-Milliarden in den Neubau von Straßen gesteckt werden. Dort ist aber jeder Euro falsch angelegt. Die Einnahmen sollten in kilometerlange neue Gleise investiert werden. Ohne sie bleibt die Bahn chancenlos – und die Lkw-Maut verkommt zur reinen Geldbeschaffung. HANNA GERSMANN