Rätsel um verschwundenen Genmais

Jahrelang verwechselte der Agrokonzern Syngenta seine eigenen gentechnisch veränderten Maissorten. Nur so konnten rund 1.000 Tonnen der verbotenen Körner nach Europa gelangen. EU-Kommission erwägt jetzt Importstopp für bestimmte Sorten

VON WOLFGANG LÖHR

Noch immer wird gerätselt, in welchen EU-Ländern er wohl gelandet ist: Der „irrtümlich“ vom Agrokonzern Syngenta jahrelang produzierte und vertriebene genmanipulierte Mais der Sorte Bt10. Die EU-Kommission geht davon aus, dass rund 1.000 Tonnen der illegalen Maiskörner aus den USA auch nach Europa eingeführt und zu Lebensmitteln verarbeitet wurden. Weil die US-Behörden und Syngenta trotz Aufforderung sich bisher weigerten, eine eindeutige Nachweismethode für den Bt-Mais vorzulegen, zieht die EU-Kommission jetzt einen Importstopp für bestimmten Genmais in Erwägung. Von dem Embargo betroffen sein könnten dann auch Beiprodukte wie Maisöl und Maismehl.

Umweltverbände und Verbraucherschützer forderten schon länger, dass die Behörden endlich aktiv werden. So sprach sich der Bund für Umwelt und Naturschutz nicht nur für die strafrechtliche Verfolgung der illegalen Importe aus, sondern forderte auch einen Importstopp für Gentech-Mais von Syngenta. Syngenta hatte im letzten Jahr die Erlaubnis bekommen, Genmais der Sorte Bt11 zur Verarbeitung in die EU einzuführen. Und dieser insektenresistente Bt11-Mais ist fast identisch mit der nicht zugelassenen Sorte Bt10.

Nach Angaben von Syngenta sitzen bei Bt10 die ein Insektentoxin bildenden Gene an anderer Stelle im Genom. Zudem enthalten die Bt10-Pflanzen ein Resistenzgen für das auch in der Medizin eingesetzte Antibiotikum Ampicillin. Dies gaben die US-Behörden erst nachträglich bekannt. Vermutlich wollten die USA vermeiden, dass die Gentech-Gegner weitere Argumente geliefert bekommen. Schon dass bei Syngenta ein Irrtum passiert sei, hatte Washington monatelang geheim gehalten.

Ohne diese Informationen können jedoch die beiden Sorten nicht auseinander gehalten werden. Die Lebensmittelprüfer untersuchen nämlich nur die Proteinzusammensetzung. Um Bt10 von Bt11 unterscheiden zu können, wäre aber eine aufwendige DNA-Analyse notwendig. Zudem müssen die Kontrolleure auch wissen, was sie suchen. Die Ähnlichkeit ist auch der Grund dafür, dass über Jahre hinweg alle Kontrollen versagten.

Bis heute hatte die EU-Kommission den US-Behörden und Syngenta Zeit gegeben, alle Daten und vor allem eine eindeutige Nachweismethode bekannt zu geben. Eine Nachweismethode muss übrigens für alle kommerziell genutzten Gentech-Pflanzen schon bei der Zulassung vorliegen. Diese verlangt auch die UN-Konvention für Biologische Vielfalt, die von den USA bisher nicht unterzeichnet wurde.

Für die US-Behörden hingegen, unter deren Aufsicht der legale Anbau des Bt-Mais stattgefunden hat, scheint der Vorfall vorerst abgeschlossen zu sein. Sie verdonnerten den Schweizer Agrokonzern zu einer Geldstrafe in Höhe von 375.000 US-Dollar. Zudem muss Syngenta eine Sicherheitskonferenz zur Gentechnik sponsern.

Ob betroffene Firmen, die den illegalen Bt-Mais verarbeitet haben, noch Schadenersatz fordern, bleibt abzuwarten. Das könnte teuer werden. Als vor fünf Jahren von Aventis, der jetzigen Bayer-Tochter Crop Science, nicht zugelassener Gentech-Mais, Starlink, in Lebensmitteln auftauchte, musste das Unternehmen einen mehrstelligen Millionenbetrag als Schadenersatz zahlen.

Ohne Nachweismethode können aber die Bt10-Produkte nicht ausfindig gemacht werden. Daher ist es auch vor allem für Syngenta von Vorteil, möglichst spät alle Daten offen legen zu müssen. Denn eine Großteil der Beweismittel wird dann schon im Magen der Konsumenten verschwunden sein.