Nowosibirsk bald per ICE erreichbar

Hannover Messe steht im Zeichen der deutsch-russischen Freundschaft. Während Schröder Putin „strategische Partnerschaft“ anbietet, unterzeichnen Firmen beider Länder Verträge über gemeinsame Hochgeschwindigkeitszüge und Gaspipeline

AUS HANNOVER JÜRGEN VOGES

Ganz im Zeichen deutsch-russischer Männerfreundschaft steht die Hannover Messe 2005. Kanzler Schröder und der ihm persönlich verbundene russische Präsident Wladimir Putin eröffneten die weltgrößte Technologieschau gestern mit einem gemeinsamen Rundgang über das hannoversche Messegelände. Die beiden Politiker wohnten der Unterzeichnung mehrerer milliardenschwerer deutsch-russischer Großprojekte bei.

Auf der weltgrößten Technologie-Messe zeigen noch bis Freitag 6.090 Aussteller aus 65 Ländern ihre Investitionsgüter. Russland ist in diesem Jahr Partnerland der Hannover Messe und hat eine Ausstellung mit über 150 Ständen in der Halle 13 ganz in der Südwestecke des Messegeländes. Schröder bot Russland in seiner Eröffnungsrede nicht nur eine strategische Partnerschaft mit Deutschland, sondern gleich mit der ganzen Europäischen Union an.

Unter den gestern auf der Messe vereinbarten Investitionsvorhaben hatte es vor allem die Kooperation zwischen der BASF und Gasprom dem Kanzler angetan. Die im Grundsatz auf der Messe vereinbarte Zusammenarbeit sei „wirklich von historischer Art“, schwärmte Schröder. Zum ersten Mal werde einem ausländischen Unternehmen die Möglichkeit geboten, „bei der Förderung von Gas in Russland als Partner teilzunehmen“.

Nach Angaben von Gasprom-Chef Alexej Miller soll das neue Unternehmen zur Ausbeutung des Jushno-Russkoje-Feldes in Westsibirien Inhaber der Lizenz für das riesige Gasfeld werden – als erstes Gemeinschaftsunternehmen mit ausländischen Partnern. Bei ähnlichen Projekten hält Gasprom bislang immer noch allein die Lizenz. Allerdings will der russische Gasgigant die Kontrolle über das Rohstoffvorkommen auch bei dem Projekt mit der BASF nicht aufgeben: 50 Prozent und eine Aktie wird Gasprom an dem Gemeinschaftsunternehmen halten.

Das Gasfeld soll nach Angaben der BASF ein Volumen von etwa 500 Milliarden Kubikmeter haben, was dem fünffachen Jahresbedarfs Deutschlands entspricht. Seine Erschließung soll eine Milliarde Dollar kosten. Weitere zwei Milliarden Dollar wollen die beiden Unternehmen in den Bau einer neuen Gaspipeline durch die Ostsee nach Westeuropa investieren. Schließlich soll der Gasprom-Anteil an dem gemeinsamen Gasversorger Wingas, der 4.000 Kilometer Gasleitungen und zahlreiche Speicher in Deutschland besitzt, von 35 auf knapp 50 Prozent steigen.

Während Gasprom und BASF auf der Messe zunächst nur eine Grundsatzvereinbarung unterzeichneten, konnten Siemens und ein von der russischen Staatsbahn getragenes Konsortium bereits einen detaillierten Rahmenvertrag abschließen. Im Zuge eines 1,5-Milliarden-Euro-Geschäfts wollen beide Partner in Russland und für Russland Hochgeschwindigkeitszüge bauen. Die russische Variante des ICE soll zu 70 Prozent aus Komponenten russischer Zulieferer bestehen. Ein weiteres Gemeinschaftsprojekt brachte der deutsche Mähdrescher-Hersteller Claas unter Dach und Fach. Nach den Worten des Kanzlers soll bei dem vereinbarten Bau der Landmaschinen in Russland die Hälfte der Wertschöpfung aus Deutschland kommen.

Lediglich ein leiser Misston störte die deutsch-russische Harmonie: Der tschetschenische Vizepremier Ramsan Kadyrow begleitete den russischen Präsident Wladimir Putin nicht auf seinem Besuch der Hannover Messe. Der Koordinator der Bundesregierung für die deutsch-russischen Beziehungen, Gernot Erler, hatte den gemeinsamen Besuch der beiden Politiker als „protokollarisch problematisch“ bezeichnet.

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