Nichts weniger als Luxus

GEMEINWESEN Wohnungsunternehmen beschäftigen Sozialarbeiter, um die Bewohnerschaft und damit ihre Einkünfte zu stabilisieren

Zur Sozialarbeit gehört auch die Hilfe in Konflikten mit dem Vermieter

VON JOACHIM GÖRES

Wie komme ich aus meinem Handyvertrag wieder raus, wie beantrage ich Leistungen aus dem Bildungspaket, warum wurde der Wohngeldantrag abgelehnt? Mit solchen Fragen beschäftigen sich Carsten Tech und Petra Bleichwehl täglich. Der Geograf und die Sozialpädagogin sind beim Verein Miteinander für ein schöneres Viertel (MSV) in Hannover-Mühlenberg angestellt. Die private Wohnungsgesellschaft Gagfah bezahlt sie für die soziale Betreuung von rund 1.200 Mietern in der Hochhaussiedlung Canarisweg.

Die Gagfah, die eigentlich im Ruf steht, ihre Bestände nicht besonders nachhaltig zu bewirtschaften, leistet sich die beiden Sozialarbeiter nicht ohne Grund: Die Mehrheit der Bewohner der Siedlung lebt von staatlichen Leistungen. Mehr als die Hälfte sind Migranten. Diese Mischung kann leicht dazu führen, dass ein Quartier herunterkommt: Vandalismus, Müll, Stigmatisierung, schlechte Schulen, Gewalt – das drückt die Nachfrage nach den Wohnungen, führt zu sinkenden Mieten und Leerstand. Viele Wohnungsgesellschaften haben erkannt, dass sie aktiv gegen solche Entwicklungen vorgehen müssen, wenn sie auf Dauer stabile Einnahmen erzielen wollen.

Drei Wohnungen hat die Gagfah den Sozialarbeitern für Projekte zur Verfügung gestellt. Aus einer wurde ein Internet-Café, in der Bewohner surfen können, in einer zweiten wurden mehrere Fitnessräume eingerichtet. Dazu kommt der Kids-Club, in dem sich meist Mütter mit ihren kleinen Kindern zum Klönen und Spielen treffen. Alle Angebote sind für die Bewohner kostenlos. Rund ein Dutzend 1-Euro-Kräfte, die ebenfalls alle in der Siedlung wohnen, kümmern sich um die Besucher der drei Projekte.

„Der Leerstand und die Fluktuation in der Siedlung waren sehr hoch. Wir versuchen durch unsere Nachbarschaftsarbeit dazu beizutragen, dass die Menschen miteinander in Kontakt kommen. Ein Drittel ist sehr offen für unsere Angebote, ein Drittel kennt uns, das restliche Drittel ist nur schwer zu erreichen“, lautet das Fazit von Tech nach fast fünf Jahren Gemeinwesenarbeit. Dazu gehört auch, die Bewohner bei Auseinandersetzungen mit ihrem Vermieter zu unterstützen, etwa bei Schimmel in der Wohnung. „Wir können solche Meldungen sofort direkt weiterleiten und bleiben nicht in der Telefon-Hotline hängen“, erzählt Tech.

Mit seiner Unterstützung haben Kinder aus dem Kids-Club mit ihren Eltern einen dunklen Tunnelgang hell gestrichen und darauf die Fahnen vieler Länder gemalt – als Symbol für die internationale Herkunft der Bewohner des Viertels. Nun wirkt der Durchgang schön bunt und viel freundlicher. Gerade solche gemeinsamen Erfahrungen trügen dazu bei, dass sich die Mieter stärker mit ihrer Umgebung identifizierten. Der Wohnungsleerstand und die Zahl der Auszüge sind in der letzten Zeit zurückgegangen. „Die Leute grüßen sich heute mehr als früher“, findet Bleichwehl.

Bei manchen Problemen stößt die Sozialarbeit an ihre Grenzen. Wenn abends Streit entbrennt, weil ein Nachbar sich durch den Lärm des anderen gestört fühlt, sind Bleichwehl und Tech nicht im Dienst. Entweder die Bewohner regeln das untereinander oder die Polizei wird geholt.

In einigen Hochhäusern einer Siedlung der Gesellschaft für Bauen und Wohnen Hannover (GBH), der größten kommunalen Vermieterin in der niedersächsischen Landeshauptstadt, im Stadtteil Vahrenheide, gibt es seit einigen Jahren Concierge-Logen. Zum Konzept der Sozialarbeit gehört es hier, dass zumindest in der Zeit zwischen 9 und 23 Uhr ein Ansprechpartner bereit steht, der darauf achtet, dass die Hausordnung eingehalten wird.

Bei der GBH bieten die Sozialarbeiter auch eine Wohnberatung für Senioren an. „Durch Krankheit oder durch Stürze sind alte Menschen nicht mehr so mobil. Wir helfen, dass sie nach einer Pflege wieder in ihre vertraute Umgebung zurückkehren können und veranlassen, dass das Bad umgebaut wird oder Schwellen als potenzielle Stolperfallen entfernt werden“, sagt die Sozialpädagogin Claudia Müller.

Ein Angebot, von dem auch die GBH profitiert. „Es gibt immer mehr alte Menschen. Unser Interesse ist es, dass sie möglichst lange in unseren Wohnungen leben können, denn sie zahlen pünktlich ihre Miete, machen keinen Krach und tragen durch ihr langjähriges Mietverhältnis zu stabilen sozialen Beziehungen im Haus bei“, sagt der GBH-Architekt Robert Kulle.