Staatenlos nach 30 Jahren

Snezana Bröll ist zum Spielball der deutschen Behörden geworden: Ausreisen darf sie nicht mehr, eingebürgert werden kann sie auch nicht. Dabei lebt sie sei drei Jahrzehnten in Deutschland

aus SprockhövelSVEN PRANGE

Ein breites Lachen durchzieht das Gesicht von Snezana Bröll. Aus den Augen der 39-Jährigen funkelt Lebenslust. Dabei hat die gebürtige Jugoslawin keinen Grund zur guten Laune. Snezana Bröll ist in eine Lücke gefallen, die auch nach der Reform im deutschen Zuwanderungsrecht klafft. Jetzt ist die Frau, die seit 31 Jahren in Deutschland wohnt, zum Spielball zwischen deutschen und jugoslawischen Behörden geworden.

„Ich bin de facto staatenlos“, erklärt sie. Das haben ihr zuletzt polnische Grenzer bescheinigt, die ihr die Einreise zum Urlaub im Neu-EU-Land verweigerten. Der Grund: Da Snezana Bröll derzeit weder eine deutsche noch eine gültige jugoslawische Staatsbürgerschaft vorweisen kann, gilt sie im Ausland als Asylbewerberin. Damit ist die kleine Frau mit den struppigen Haaren praktisch in Deutschland gefangen. Jenem Land, das sie längst als ihre Heimat bezeichnet, das ihr aber nun die Staatsbürgerschaft verweigert.

„Seit fünf Jahren geht das jetzt so“, klagt die Frau, die in Sprockhövel wohnt. Fein gestrichene Einfamilienhäuser, gepflegte Vorgärten. Eine gehobene Wohngegend, in der Bröll mit ihrer 21-jährigen deutschen Tochter lebt. Seit sieben Jahren arbeitet die 39-Jährige als Vertriebsdisponentin bei einem mittelständischen Unternehmen. Das ermöglicht eine unbefristete Niederlassungserlaubnis. Die deutsche Staatsbürgerschaft bekommt sie nicht. „Dabei fühle ich mich als Deutsche, war 28 Jahre nicht mehr in Jugoslawien, kenne dort niemanden und spreche die Sprache kaum.“ Dafür beherrscht sie deutsch umso besser.

Argumente, das weiß Bröll heute, die alle nicht zählen im deutschen Zuwanderungsrecht. Hier geht es nach Vorschrift – und nach dem Gutdünken ausführender Amtsleiter. Das erfährt Sznesana Bröll, als sie im Jahr 2000 die deutsche Staatsbürgerschaft beantragt. „Alles kein Problem“, bescheinigt man ihr im Ausländeramt des Ennepe-Ruhr-Kreises. Seitdem hat sich nichts getan. „Wir warten auf die Entlassung aus der jugoslawischen Staatsbürgerschaft“, erklärt Amtschef Hans-Jürgen Buck.

Genau die aber ist der Haken. Das zuständige jugoslawische Konsulat will die Entlassung erst unterschreiben, wenn Sznesana Bröll eine neu ausgestellte jugoslawische Geburtsurkunde vorweisen kann. Die muss persönlich in Serbien beantragt werden. Dass in Brölls deutschem Reisedokument indes Reisen nach Jugoslawien ausdrücklich verboten sind – in Deutschland geduldete Ausländer dürfen nicht in ihre jeweiligen Heimatländer reisen – interessiert im Konsulat niemanden. Auch nicht, dass Bröll auch nach jugoslawischem Recht nicht nach Serbien einreisen darf. „Ich habe seit 1998 keinen gültigen jugoslawischen Pass mehr, könnte wegen Landesflucht angeklagt werden“, erklärt Snezana Bröll.

Sie hat auf eine Ausnahmeentscheidung der Ausländerbehörde gehofft. „Ich weiß aus anderen Städten, dass es auch ohne Entlassurkunde möglich ist, die deutsche Staatsbürgerschaft zu erhalten.“ Zudem hat sie ohnehin keine gültigen jugoslawischen Papiere mehr, in ihrer 1998 in ihrem Geburtsort ausgestellten Übersetzung ihrer Geburtsurkunde steht sogar ein „unbekannt“ hinter Nationalität. Eine befürchtete Doppelstaatsbürgerschaft wäre also ausgeschlossen.

Ihr Bruder hatte da mehr Glück. Er ist vom Ausländeramt Wuppertal bei gleicher Sach- und Rechtslage eingebürgert worden. Der Ermessenspielraum der einzelnen Ausländerbehörden und ihrer Mitarbeiter macht‘s möglich. Und die im Ennepe-Ruhr-Kreis setzen auf die harte Linie. „Die jugoslawischen Behörden springen etwas rauer mit ihren Staatsbürgern um“, schiebt Amtschef Buck die Schuld von sich.

Ohnehin sagt Hans-Jürgen Buck: „Üblich ist es, dass solche Fragen über Dritte gelöst werden.“ Ein Rechtsanwalt soll her. „Das kann ich mir nicht leisten“, versichert die allein erziehende Mutter. Sie setzt jetzt darauf, die Öffentlichkeit für ihr Anliegen zu mobilisieren. Viel Erfolg hat sie damit noch nicht gehabt. „Ich habe schon verschiedene Politiker angesprochen – geholfen hat mir keiner.“ Dabei läuft ihr die Zeit davon. Am 5. Juli läuft auch Brölls derzeitiges deutsches Reisedokument ab.