Die Grenzen der Aufklärung

Auf einer Tagung im Klinikum Bremen-Ost diskutierten Experten das Bild psychisch Kranker in der Öffentlichkeit

Bremen taz ■ Die Diskussion begann mit einer wenig optimistisch stimmenden Nachricht: Zwischen 1990 und 2001 ist die Einstellung der Deutschen gegenüber Schizophrenie-Erkrankten deutlich negativer geworden. Diese werden zunehmend, und meist unzutreffend, für eine öffentliche Gefahr gehalten. „Die Medien haben dabei einen verstärkenden Effekt“, formulierte Matthias Angermeyer, Leiter der Universitätsklinik und Poliklinik für Psychiatrie Leipzig, vorsichtig. Und kam damit zum Thema, das am Montag auf einer gemeinsamen Tagung von Psychiatern und Journalisten im Klinikum Bremen-Ost verhandelt wurde: „Monster oder Lazarus? Das Bild des psychisch Kranken in der Öffentlichkeit“.

Vergleichende Befragungen in anderen Ländern, so Angermeyer, hätten gezeigt, dass die Verbindung von Schizophrenie und Gefährlichkeit keineswegs eine anthropologische Konstante sei. Die Vorstellung, dass Aufklärung notwendigerweise für mehr Verständnis sorge, habe sich jedoch als Irrtum erwiesen. Die Deutschen seien heute gut über die Ursachen von Schizophrenie informiert, doch dies verringere die Vorbehalte keineswegs.

Es ist wenigen Podien gegeben, die Grundfragen vom Nutzen der Aufklärung und der Natur des Vorurteils zu klären. Doch auf dem Podium gelang es, die wesentlichen Fragen zu stellen. „Warum“, fragte Helmut Haselbeck, Moderator der Veranstaltung und ärztlicher Leiter des Zentrums für Psychiatrie des Klinikums Bremen-Ost, „hat sich die öffentliche Wahrnehmung der psychiatrischen Arbeit von der Freiheitsberaubung zur unterlassenen Hilfeleistung verschoben?“ „Soziale Kontrolle wird als Sicherung vor neuen Ängsten erwartet“, meinte Klaus Podak von der Süddeutschen Zeitung. Uneinig war man sich, inwiefern diesen Ängsten Rechnung getragen werden muss. „Wir haben in den letzten Jahren das Interesse des Nachbarn auf Sicherheit unterschätzt“, räumte Helmut Haselbeck ein. Demgegenüber warnte Asmus Finzen von der Psychiatrischen Universitätsklinik Basel davor, übertriebene Ängste zu bedienen. „Die Chance, dass der Nachbar einen Molotow-Cocktail ins Fenster wirft, ist so hoch wie die, im Jackpot zu gewinnen.“ Doch solche Richtigstellungen schätzt die Öffentlichkeit selten. Als die Spiegel-Redakteurin Gisela Friedrichsen die Zahl der Kinder, die Sexualstraftaten zum Opfer fallen, mit der von Verkehrsopfern verglich, wurde sie mit empörten Leserbriefen überhäuft. grä