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: „Ich kann mich nicht selber verraten“

RADSPORT Lokalmatador Robert Bartko erklärt, warum er dem Sechstagerennen abgesagt hat

■ ist Lokalmatador und Publikumsliebling beim Berliner Sechstagerennen. Als Bahnrennfahrer war der 36-jährige Brandenburger auch sehr erfolgreich. Bei den Olympischen Sommerspielen 2000 im australischen Sidney gewann er zwei Goldmedaillen in der Einer- und Mannschaftsverfolgung. Zudem wurde er in diesen Disziplinen viermal Weltmeister.

taz: Herr Bartko, Sie haben sich zu einer ungewöhnlichen Aktion entschlossen. Wegen ihrer Nicht-Teilnahme am Berliner Sechstagerennen haben Sie eine Pressemitteilung mit Ihrer Handynummer verschickt. Eine Art Hilferuf?

Robert Bartko: Das kann man so werten. Vor vier Jahren habe ich schon einmal abgesagt, weil ich damals nicht mit meinem Partner Iljo Keisse fahren sollte. Die Veranstalter behaupteten aber öffentlich, ich hätte zu viel Geld gefordert. Nun wollte ich zuerst in die Offensive gehen, um mich nicht wieder im Nachhinein rechtfertigen zu müssen.

Dieses Mal geht es tatsächlich ums Geld. Der Organisatoren zahlen weniger und verweisen dabei auf ihren geringeren Etat.

Das ist nicht glaubwürdig. Bei den Sechstagerennen kriselt es überall, aber nirgendwo wird so hart verhandelt und die Gagen so sehr gesenkt wie in Berlin. Dabei ist es das größte Rennen in Europa. Wenn man sich die letzten Jahre anschaut: Die Logen sind ausverkauft, die Hallen sind voll. Da kann ich keine wirtschaftlichen Probleme erkennen.

Ihre Bezüge, sagen Sie, sollten um 30 Prozent gekürzt werden. Veranstalter Heinz Seesing bestreitet das.

Ich hab ja die Kommastellen noch weggelassen. Genau sind es 30,77 Prozent weniger. Wenn ich so konkret werde, lässt sich das durchaus belegen. Damit gehe ich nicht leichtfertig um.

Wie sehr schmerzt es Sie, nicht zu fahren? Immerhin sind Sie Titelverteidiger.

Ich bin 1989 nach Berlin gekommen, aus meinem Heimatverein in Potsdam. Ich bin in Berlin zu dem Rennfahrer geworden, der ich bin. Alle meine Titel, die ich eingefahren haben, sind sozusagen hier produziert worden. Zum Berliner Publikum habe ich eine besondere Beziehung – da tut die Absage schon sehr weh. Ich kann mich deshalb trotzdem nicht selber verraten. Da muss ich abwägen.

Die Organisatoren in Berlin sagen, Sie hätten mit 36 Jahren Ihre Karriere hinter sich.

Ich fahre nach wie vor an der Spitze der Sechstagerennen mit. In der vergangenen Saison habe ich von allen Fahrern die meisten Sechstagerennen gewonnen, diese Saison habe ich mein erstes Sechstagerennen auch wieder gewonnen, ich bin in Berlin Titelverteidiger. Jetzt so zu tun, als wäre ich der alte Mann, der keine Leistung mehr bringt, soll nur das Bild verzerren, um von der eigentlichen Problematik abzulenken.

Worum geht es denn?

Wenn ich mich als Topfahrer gegen solche Kürzungen nicht wehre, was passiert dann mit den Fahrern, die nicht die ökonomische Freiheit haben, sich zu äußern? Es ist schon krass, wie wenig bei den jüngeren Fahrern von kleinen Teams hängen bleibt, wenn man die Kosten für Verpflegung, Material, Trainingslager mit bedenkt.

Sind Ihre Kollegen demnach auch unzufrieden?

Sie können unter den Fahrern überall herumfragen: Man wird Ihnen bestätigen, dass die Verhandlungen in Berlin extrem hart geführt werden. Aber die meisten können es sich nicht leisten, sich mit der Rennleitung zu überwerfen. Ich weiß, dass es eine russische Mannschaft gibt, die sollte umsonst fahren.

Kann man von den Sechstagerennen im Winter leben?

Es gibt nicht mehr viele Rennfahrer, die das können. Ich kann das, weil ich von allen sechs Veranstaltern, die es noch gibt, eingeladen werde.

■ Das Radspektakel wird vom 26. bis 31. Januar zum 101. mal ausgetragen. Die Premiere fand 1911 im Berliner Sportpalast statt. Seit 1999 radeln die Zweierteams im Velodrom an der Landsberger Allee ihre Runden.

■ In den letzten Jahren wurde in Deutschland ein Sechstagerennen nach dem anderen eingestellt. Dieses Jahr gehen in Berlin zum ersten Mal Frauen in einem eigenen Wettbewerb an den Start. (jok)

Sie werfen der Berliner Veranstaltung Gewinnmaximierung auf Kosten der Fahrer vor.

Je niedrigere Gagen und je weniger Sechstagerennen es gibt, desto weniger Perspektive bleibt natürlich auch für junge Fahrer zu sagen: Ich bleibe auf der Bahn.

Das gilt nicht nur für Berlin.

Ja, aber gerade die Veranstalter des Berliner Sechstagerennens, die mit der Veranstaltung viel Geld verdienen und eine Vorbildfunktion für ganz Europa haben, müssen eine Verantwortung für das Geschäft übernehmen. Anderswo gibt es keine derartigen Streitigkeiten. In Berlin dagegen häufen sich diese Meldungen in den letzten Jahren. Bruno Risi hat ja auch vor zwei Jahren abgesagt, weil er zu große Einbußen nicht hinnehmen wollte. Da steckt eine gewisse Systematik dahinter.

INTERVIEW: JOHANNES KOPP