Reflex der deutschen Leitkultur?

Proteste gegen Anti-Sarrazin-Kunstaktion

VON UWE RADA

Thilo Sarrazin hat seinen Erfolg inszeniert. Ein Vorabdruck im Spiegel und in der Bild-Zeitung war der Startschuss für sein neues Leben als ehrbarer „Das wird man doch mal sagen dürfen“-Rassist. Hinzu kamen die Gesetze der Aufmerksamkeitsökonomie: In Zehntausenden von Eichenwandschränken steht sein Bestseller neben dem Familienporzellan – ungelesen. Ein Buch als Must-have: Die PR-Maschine läuft wie geschmiert.

Keine Bücherverbrennung

Dem gegenüber setzen der tschechische Künstler Martin Zet und die Berlin-Biennale nun die PR-Maschine einer Kunstaktion. 60.000 Exemplare des Sarrazin-Buchs „Deutschland schafft sich ab“ wollen sie sammeln und damit vom Markt nehmen. Man kann das naiv finden, eine billige Provokation oder aber ein postmodernes Spiel mit den Regeln des Marktes und seiner Währung Aufmerksamkeit.

Was es aber bestimmt nicht ist, ist ein Spiel mit den Zutaten der Bücherverbrennung. Dennoch sind die Vorwürfe interessant. Schon zum zweiten Mal treffen Künstler aus Osteuropa auf die politisch korrekte „Reflexkultur“ in Deutschland.

Zuerst hat es Artur Zmijewski mit seinem umstrittenen Video getroffen. Der Gropiusbau reagierte mit Zensur. Nun sind Martin Zet und die Berlin Biennale an der Reihe. Was steckt dahinter? Die Erwartung, dass sich Künstler in Deutschland der politischen Leitkultur anpassen? Sarrazin ließe grüßen.

Der Hinweis des Hauses der Kulturen der Welt auf eine „konzeptionellen Klärung“ betrifft also nicht nur die Berlin-Biennale.

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