Aufklären, ohne Witz

NACHGEFRAGT Die „Bild“ befasst sich mit ihrer Rolle in der Wulff-Affäre. Diekmann verspricht Antworten

Erste Antworten gibt es bis Montag, 16 Uhr. Bis dahin will Kai Diekmann auf die Anfrage der taz reagieren

Kai Diekmann, Chefredakteur der Bild, hat Humor. Vielleicht ist damit schon das Freundlichste gesagt über den „wichtigsten Journalisten des Landes“, wie er sich selbst in einer Mail an die taz nennt. Er meint das ironisch, versteht sich. Oder halb ironisch.

Am Freitag schickte die taz Diekmann einen Fragenkatalog zur Rolle seiner Zeitung in der Mailboxaffäre: Wann gab Diekmann den Inhalt der Mailbox an wen weiter? Und: Warum fragt Kai Diekmann den Bundespräsidenten um Erlaubnis zur Veröffentlichung, obwohl Bild-Redakteure bereits Teile der Nachricht verbreiten? Diekmann reagiert mit einer Wulff-Imitation, sie kursiert inzwischen im Internet. Und dem Versprechen, die Fragen bis zum Montagnachmittag zu beantworten.

Warum die Anfrage? Der Bild-Chef ist längst nicht mehr Beobachter in der Affäre Wulff. Sondern Akteur. Er bestimmt die Geschwindigkeit der Affäre mit, er taktet die Weitergabe der Mailboxdetails. Mit wachsendem Einfluss muss sich Diekmann Fragen gefallen lassen, fast wie ein Politiker. Der einzige Unterschied: Er ist nicht gewählt. Doch das sollte ihn nicht schützen vor Kritik. Im Gegenteil. So stellen sich Fragen am Rande: Warum tritt er so selten in der Öffentlichkeit auf? Warum weiß kaum jemand, wie seine Stimme klingt? Für was steht Kai Diekmann eigentlich?

Im Duktus hielt sich die taz-Anfrage an eine E-Mail des Bild-Reporters Martin Heidemanns. Er schrieb am Morgen des 11. Dezember 2011, einem Sonntag, um 6.49 Uhr an Olaf Glaeseker, den ehemaligen Sprecher Wulffs. Glaeseker war damals noch im Dienst. „Sehr geehrter Herr Glaeseker, im Zusammenhang mit unserer Recherche […] bitten wir […] freundlich um Beantwortung folgender Fragen.“

Auch das ist eine interessante Frage: Wer ist Martin Heidemanns, der freundliche Absender der Mail? Wie arbeitet er? Der Tagesspiegel veröffentlichte 2004 einen Text, der sich kritisch mit den Methoden Heidemanns’, des damaligen Unterhaltungschefs der Bild, befasste. Heidemanns reagierte prompt mit einer Richtigstellung: „Der Text erweckt den Eindruck, dass ich bei meiner Berufsausübung schreie, drohe, erpresse. Das ist falsch. Ich schreie nicht, ich drohe nicht, und ich erpresse auch nicht.“

Im Archiv ist der Text inzwischen gelöscht. Man würde gerne mehr wissen über den Mann, der den Bundespräsidenten der Bundesrepublik Deutschland in die missliche Situation bringen konnte, den Chefredakteur eines Boulevardblatts anzubetteln. Der Bundespräsident in Rage? Jene, die Wulffs Mailboxansprache im Originalton hören konnten, berichten eher von einem gefassten, einem bettelnden Präsidenten. Macht das die Sache besser? Wohl kaum.

Aber es stellt einige Schlagzeilen der letzten Wochen infrage: „Wulff und der Wutanruf“ (Hamburger Abendblatt), „Wulffs Wut-Anruf irritiert Koalition“ (Zeit Online), „Wutanrufe, Kreditaffäre, Glaubwürdigkeitsprobleme“ (taz.de). Wie kann man so etwas schreiben, ohne die Nachricht gehört zu haben? Die Affäre Christian Wulffs ist auch eine Affäre der Medien. Erste Antworten gibt es bis Montag, 16 Uhr. Bis dahin will Kai Diekmann auf die Anfrage der taz reagieren. Der „wichtigste Journalist des Landes“ hat sein Wort gegeben. Er will aufklären. Ohne Witz.

FELIX DACHSEL