EU hat Herz für Arme, aber kein Geld

Gestern diskutierten Finanzminister über Kerosinsteuer als Quelle für mehr Entwicklungshilfe. Eine Einigung ist nicht in Sicht, Spanien und Griechenland stellen sich quer. Unterdessen präsentiert EU-Kommission neues Konzept zur Armutsbekämpfung

AUS BRÜSSEL RUTH REICHSTEIN

Darüber, dass etwas passieren muss, sind sich alle einig. Die Frage ist nur, wer dafür bezahlt. Etwa so lässt sich die derzeitige Diskussion der EU-Mitgliedstaaten und der Kommission über die Entwicklungshilfe zusammenfassen. „Es gibt eine große Einigkeit darüber, dass neben der staatlichen Entwicklungshilfe alternative Geldquellen gefunden werden müssen“, sagte der Sprecher der EU-Kommission für Entwicklungspolitik, Amadeu Altafaj, gestern der taz.

Eine dieser Quellen, die schon seit einiger Zeit in der Diskussion ist und gestern beim Finanzministertreffen in Luxemburg auf der Tagesordnung stand, wäre eine EU-Steuer auf Flugbenzin. Im Gespräch sind rund 350 Euro pro Tonne Kerosin. Großbritannien, Frankreich und Deutschland befürworten diese Finanzierungsmöglichkeit. Spanien und Griechenland als Länder mit viel Tourismus sind jedoch dagegen. Das machten die beiden Regierungen auch gestern in Luxemburg deutlich – und legten damit die Kerosinsteuer erst mal auf Eis. Denn Steuerfragen müssen in der EU einstimmig entschieden werden.

Gleiches gilt für einen pauschalen Aufschlag auf die Ticketpreise unabhängig von der Kerosinmenge. Im Gespräch ist ein Aufpreis von 10 Euro bei EU-Flügen und 30 Euro bei Flügen außerhalb der EU. Auch der Vorschlag des französischen Staatspräsidenten Jacques Chirac, Waffenexporte zusätzlich zu besteuern, wird untersucht. Der Nachteil all dieser Vorschläge ist, dass sie – wegen der erforderlichen Einstimmigkeit – erst frühestens in zwei Jahren umgesetzt werden könnten. Die EU-Kommission forderte deshalb die Mitgliedstaaten auf, auch über schneller umsetzbare Maßnahmen nachzudenken.

Die EU-Kommission selbst ging gestern schon mal mit gutem Beispiel voran. Entwicklungshilfekommissar Louis Michel und EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso stellten in Straßburg Vorschläge für eine neue EU-Entwicklungshilfe vor. Zwei Ziele sollen damit erreicht werden: Die Union will sich im Bemühen um Armutsbekämpfung international profilieren. Und: Die Vorschläge sollen helfen, die so genannten Millenniumsziele in der Entwicklungspolitik zu erreichen, und sind die Grundlage für den UN-Gipfel im September. So schlägt die Kommission vor, dass die alten EU-Mitgliedstaaten den Anteil der Entwicklungshilfe am Bruttoinlandsprodukts bis 2010 auf 0,51 Prozent anheben. Die zehn neuen Mitgliedsländer sollen auf immerhin 0,17 Prozent kommen, damit die EU-Entwicklungshilfe insgesamt bis 2015 die von der UN geforderten 0,7 Prozent des EU-Bruttoinlandsprodukts erreichen kann.

Der Entwicklungsverband Oxfam ist skeptisch: „Wir sind sehr froh über die Vorschläge der Kommission, aber die Frage ist, ob die Länder über ihren Schatten springen werden. Denn bei jeder Geldquelle werden sich einige Länder benachteiligt fühlen“, sagte gestern Luis Morago, Sprecher von Oxfam International. „Da werden wir sehen, wie ernst es den EU-Mitgliedstaaten tatsächlich mit der Entwicklungshilfe ist.“

Die Diskussion der EU-Finanzminister soll auf einem Treffen im Mai vertieft werden.