DIESES ANDERE STÜCK, DU KENNST ES DOCH, WIE HIESS DAS NOCH
: Glück, Streit, Glück

VON RENÉ HAMANN

Da gibt es ein Plätzchen, wo all diese Liebenden hingehen, um ihren Sorgen zu entfliehen … Und dieses Plätzchen nennen sie … Großstadt.“ („Lonesome Town“, das Original ist von Ricki Nelson.) Und wer ordentlich gekleideten Barkeepern beim lässig-gekonnten Mixen exotischer Getränke, zum Beispiel auf Eiweißbasis, zusehen möchte, geht beispielsweise in den Würgeengel in Kreuzberg. Wer dann noch gesehen werden möchte, sollte früh da sein. Im Würgeengel ist es nämlich traditionellerweise früh voll.

Die Dame trinkt vier Wodka, nicht Grasovka, sondern den anderen. Wyborowa. Klingt beides russisch? Ist aber polnisch. Kommt im eisgekühlten Glas (der nächste Ohrwurm bitte!) ohne irgendwelches Gemüse und ist wirklich gut. Ich weiß nur nicht, ob es gegen die Unruhe im Bauch hilft. Der Dame hilft es jedenfalls in einen gepflegten Rausch.

Zu Hause gibt es nur finnischen Wodka aus der Plastikflasche, denn Glasflaschen dürfen ja nicht mit ins Flugzeug. Und fast jedes Mal öffnet sich mir eine Apotheke, wenn ich im Küchenschrank nach einem Glas suche. Alkohol ist immer noch die beste Medizin, und all das, die Musik redet weiter von einem Traum oder auch zweien, also zwei Träumen, den oder die man sich kaufen kann, Englisch ist manchmal doch die bessere Sprache. Der finnische Wodka entpuppt sich als Minzlikör. Die Dame ist es zufrieden. Dazu hören wir kreischende Frauen auf Beatles-Liveaufnahmen.

Das weithin ungetrübte Glück tobt sich am anderen Tag zuerst mit Zeitungslektüre und Müsli im Lieblingscafé am Heinrichplatz aus (hier einmal keine Werbung). Das Müsli, das die Dame daheim zubereitet, ist aber dann doch besser. Honig und Schokolade.

Jemanden mit „Honey“ ansprechen und es ernst meinen, auch sehr schön. Danach folgen die üblichen Dinge, Spaziergang am Kanal, Kuchen essen gehen in einem zweiten Café, das früher einmal eine Zoohandlung war, das Treffen von Freunden und Freundinnen, das Reden über die sonntägliche RL-Demo (RL für Rosa Luxemburg). Und natürlich der kleine Streit. Der bewirkt dann kurz allgemeine Konfusion, auch bei denen, die nur Passanten sind. Zum Glück löst sich dann alles in Wohlgefallen auf.

Man muss auch einmal den Modus ändern können. Wird ja auch Zeit. Schließlich will man nicht für immer schlafkrank sein, untertan und aussichtslos. An einem verlorenen Wochenende herumlaborieren, das schon ewig und drei Tage währt (oder achteinhalb Jahre oder so was). Also feiern wir mit Verzicht, die Zigaretten nämlich brauchen wir auch nicht mehr, stattdessen wird endlich mal wieder Urlaub gebucht. Es wird Urlaub gebucht! Nach zwei Stunden langer Netz-Odyssee! Preisvergleichsportalen, die untereinander verglichen werden! Und wo geht es am Ende hin? Auf eine spanische Insel! Da unten irgendwo im Meer! Auf Höhe der Wüste! (Und hey, mit Zwischenlandung in Stuttgart, irgendwann morgens um acht!)

Danach ging es dann zum Inder. Brutzelnde Steinplatten. Reichlich Mango. Zum Dessert ein Töpfchen Vanilleeis. „Wenn wir so weitermachen, werden wir noch verweichlicht durch üppiges Leben“, sagt die Dame. Am Nebentisch saß ein Diktatorensohn. Sah jedenfalls so aus. War aber wohl doch nicht so.

Im Holz und Kohlen übrigens war die Thekenmannschaft ausgetauscht. Moustache hat halt auch mal frei. Prompt war die Musik auch ganz anders – andere Bedienung, anderes Zufallsprinzip bei iTunes, so ist das. Bis dann allerdings zwei so Straßenmusikanten reinkamen und „Das Model“ spielten. Mit Akkordeon und Kontrabass, allerdings ohne Gesang. Oder hat der hintere Teil der Bar dann mitgesungen? Bei „More“ von Usher dann vielleicht. Obwohl, nein, das war dieses andere Stück, aber ich komme nicht mehr drauf.