Das Spiel mit dem Risiko

Die Deutschen sind schlecht versichert: Während viele Bürger „überversichert“ sind und viel Geld für unnötige Versicherungen ausgeben, fehlt anderen selbst das Geld für eine Krankenversicherung

VON ULLA JASPER

Der deutsche Durchschnittshaushalt gibt pro Jahr 2.931 Euro für Versicherungen aus – von der Kranken- über die Hausrat- bis hin zur Haftpflichtversicherung. Alles gut abgesichert, könnte man also meinen. Doch weit gefehlt. Denn während sich die einen mit Policen gegen alles vom Blitzschlag bis zum Handydiebstahl schützen wollen, fehlt bei anderen selbst die Versicherungs-Grundversorgung.

Wie das Bundesgesundheitsministerium erklärt, hat sich die Zahl der Menschen, die ohne Krankenversicherungsschutz leben, in den letzten Jahren dramatisch erhöht. Waren 1995 noch 105.000 Bürger krankenversichert, so stieg die Zahl im vergangenen Jahr auf 188.000 Menschen an, die weder in einer privaten noch in einer gesetzlichen Krankenkasse versichert waren. Tendenz steigend.

Ohne Schutz leben nach Angaben der Verbraucherverbände mittlerweile offenbar vor allem Rentner, Studenten, Arbeitslose, die keinen Anspruch auf Arbeitslosengeld haben sowie Selbständige, die sich die Ausgaben für eine Versicherung sparen wollen: Die Zahl der nicht krankenversicherten Unternehmer ist im gleichen Zeitraum von 6.000 auf 31.000 gestiegen, so das Ministerium.

Die Verbraucherzentralen warnen jedoch, auch in finanziell schwierigen Situationen nicht die Beiträge zur Krankenversicherung zu streichen, da säumige Zahler innerhalb kürzester Zeit ihren Versicherungsschutz verlieren. Die gesetzlichen Kassen können Versicherte rauswerfen, wenn diese mehr als zwei Monate mit ihren Beiträgen im Rückstand sind: „Das Gesetz sieht vor, dass Versicherte ihren Schutz verlieren, wenn sie drei Mal nacheinander ihre Beträge nicht bezahlt haben“, bestätigt ein Sprecher des nordrhein-westfälischen Gesundheitsministeriums. Bei privaten Versicherern ist die Frist oftmals sogar geringer: wer einen Monatsbeitrag nicht gezahlt hat, fliegt. Allerdings mahnen die meisten Versicherungen ihre Kunden erst mehrfach, bevor es wirklich zum Rauswurf kommt.

Die Verbraucherzentralen raten Versicherten, die ihre Beiträge nicht mehr zahlen können, deshalb, sich rechtzeitig beraten zu lassen. Einige Versicherer zeigen sich kulant und ermöglichen es ihren Kunden, in günstigere Tarife zu wechseln oder die Beiträge in Raten oder gestundet zurückzuzahlen. Die Konsumentenschützer weisen aber auch darauf hin, dass ein Rauswurf aus der Versicherung gravierende Folgen haben kann. Hat ein Versicherter seinen Versicherungsschutz wegen Beitragsrückständen verloren, ist zunächst keine gesetzliche Versicherung mehr verpflichtet, den Kunden aufzunehmen.

„Erst wenn der zu Versichernde zwölf Monate sozialversicherungspflichtig beschäftigt war, hat er wieder einen Anspruch auf eine gesetzliche Krankenversicherung“, so der Sprecher des Ministeriums. Da Privatversicherungen sich ihre Klienten ohnehin sehr genau aussuchen dürfen, ist auch ein Wechsel zu einem der privaten Anbieter praktisch aussichtslos. Aus dem sozialen Netz falle dennoch niemand, glaubt man im Ministerium: „Im Falle der Bedürftigkeit springen die Kommunen ein.“