Mit dem Volkskredit in die Schuldenfalle

Aggressive Werbung und Lockangebote der Kreditinstitute führen immer mehr Menschen in die Verschuldung. Drei Millionen Haushalte können ihre Zahlungsverpflichtungen bereits nicht mehr erfüllen. EU-Richtlinie geplant

Ein neues Auto, ein paar Wochen Urlaub, teure Weihnachtsgeschenke – alles kein Problem, suggeriert die Werbung. Wer sich seine Träume nicht mit Barem erfüllen kann, greift gerne auf Geliehenes zurück: Mehr als drei Millionen private Haushalte in Deutschland sind mittlerweile überschuldet, das heißt sie können ihre laufenden Zahlungsverpflichtungen nicht mehr decken. Einen Grund sehen Verbraucherschützer darin, dass der Zugang zu Krediten immer leichter wird – und dass die Kreditbranche kaum noch prüft, ob Kunden überhaupt in der Lage sind, die Darlehen rechtzeitig und vollständig zurückzuzahlen. Vorläufiger Höhepunkt des Kreditbooms: der so genannte Volkskredit der Creditplus, für den die Bild-Zeitung nun unverhohlen wirbt.

Doch gerade die Werbung der Kreditbranche stößt bei Verbraucherschützern zunehmend auf Ablehnung: „Da wird der Eindruck erweckt, man kann sich jeden Wunsch auf Kredit erfüllen“, kritisiert Verbraucherschutzministerin Renate Künast (Grüne) die Praxis der Kreditgeber. Dadurch werde die Verlockung, Geld zu leihen, immer größer.

Nach einer Studie des Münchner Instituts für Grundlagen- und Programmforschung werden immer mehr Kredite zudem ohne gründliche Bonitätsprüfung der Kunden vergeben. Statt dessen erfolge nur eine automatisierte Prüfung der finanziellen Situation der Kunden – die individuellen Bedürfnisse werden kaum beachtet. Von einer verantwortungsvollen Kreditvergabepraxis der Finanzinstitute kann deshalb kaum die Rede sein, zumal auch die Vergabekriterien der Finanzinstitute in den meisten Fällen nicht transparent sind. Insbesondere ältere Kreditnehmer, aber auch junge Leute werden daher oft als Risikogruppen eingestuft. Die Folge: besonders schlechte Kreditkonditionen.

Doch die Verbraucher selbst geraten häufig nicht schuldlos in die Schuldenfalle. „Lediglich fünf bis zehn Prozent der Bevölkerung verfügen über ein fundiertes Wissen in Finanzdingen“, so Dieter Korczak, der die Studie des Münchner Instituts leitet. Sie seien deshalb für die aggressive Werbung und die vermeintlich guten Angebote der Kreditinstitute sehr anfällig.

Zudem greifen offenbar besonders dann viele Menschen zu Krediten, wenn ihre alltägliche Haushaltslage ohnehin schon angespannt ist – mit geliehenem Geld wollen sie also nicht unbedingt besondere Anschaffungen machen, sondern ihre finanzielle Gesamtsituation „aufbessern“. Für Verbraucherschützer ein wirtschaftlicher Albtraum: „Wenn man schon mit seinen bisherigen finanziellen Verpflichtungen am Rande seiner Möglichkeiten sich bewegt, dann wird das in der Regel durch einen zusätzlichen Kredit, der ja noch eine zusätzliche Belastung pro Monat bedeutet, nur noch schwieriger“, erklärt Stefanie Laag, Kreditexpertin bei der Verbraucherzentrale NRW.

Verbraucherschützer raten Schuldnern deshalb, sich gründlich über Wege aus der Schuldenfalle informieren zu lassen – vor allem wenn Gespräche mit der Bank keine Lösung bringen: „Ist abzusehen, dass es sich um größere und längerfristige finanzielle Probleme handelt, dann sollte man auf jeden Fall die Beratung einer Verbraucherzentrale oder einer anerkannten Schuldenberatungsstelle in Anspruch nehmen“, so Laag.

Auch Verbraucherschutzministerin Künast will die Kreditnehmer besser schützen. Mit einer europäischen Richtlinie sollen die Kreditinstitute noch in diesem Jahr verpflichtet werden, Kunden besser über die Kreditkosten zu informieren. Zudem sollen Verbraucher, die unverschuldet – durch Krankheit oder Arbeitslosigkeit – zahlungsunfähig werden, ihre Darlehen umschulden und zeitlich strecken dürfen. ULLA JASPER