Deutschen Country gibt es nicht

Seit ihrer „Vogelbeobachtung im Winter“ ist bei Fink musikalisch einiges passiert, und dabei wollte die Hamburger Band nie von ihrer eigensinnigen Sicht auf die Welt lassen

Wer die Band nicht kennt und zuerst ihr gerade erschienenes Album „Bam Bam Bam“ hört, kommt gar nicht auf die Idee, dass diese bluesig-funky Kapelle gegen ein Image als Countryband anzukämpfen hat. Wer Fink nicht kennt, wundert sich möglicherweise über manch sonderbares Thema bei den Texten, die in trockener Poesie aus Banalitäten Belege für eine kauzige Weltsicht werden lassen. Rhythmisch darf man bei der Hamburger Band auch zum Black-Music-Sound wippen oder einen wuchtigen „Hüftschwung“ zum gleichnamigen Song wagen.

Insgesamt ganz schön heiß für eine Nordei-Combo. Seit der Schwerpunkt mehr auf dem Rhythmus liegt, zeigt sich noch stärker, wie lässig Fink auf der Bühne Funken sprühen lassen.

Sänger, Gitarrist und Texter der Band ist Nils Koppruch. Aus der Indierock- und Country-Cover-Szene bewegte sich der Ex-Dithmarscher mit italienisch-polnischen Ahnen in Richtung eigenes Liedschreiben und Fink-Sound. Angefangen hat die Band mit dem Song „Herz aus Holz“, das einer Angebeteten gehörte. Das war 1996, als sie Freunde zur Gründung des XXS-Labels inspirierten. Andere Firmen wagten nicht, die Sonderlinge bei sich unterzubringen. So entstand das Debüt „Vogelbeobachtung im Winter“. Es folgten Erkenntnisse über das „Loch in der Welt“, dann die Country-Vertonung von Kraftwerks „Autobahn“ und eine Interpretation von Tocotronics „Sie wollen uns erzählen“.

Durch die frühere Instrumentierung aus Banjo, Pedalsteel-Gitarre und Geige schimmerten bei Fink Vorbilder wie Giant Sand, 16 Horsepower und Lampchop durch. Amerikanische Bands, die Country im Indierockrahmen durchspielen. Dann gab es Verquickungen mit Element of Crime, durch den Trompeter Martin Wenk.

Fink sind Wandervögel. Immerhin ein Drittel des Jahres sind sie auf Tour, und wenn sie rumkommen, picken sie was auf. Wechselnde Bandkollegen bringen ihre musikalischen Vorlieben ein. Der Schwarm um die beiden Urfinken Koppruch und den Bassisten Andreas Voß hat sich immer wieder verändert.

Fink müssen sich nicht bewusst festlegen, weil sie sich durch ihre eigensinnige Sicht der Welt sowieso treu bleiben. Dass „fink“ im Amerikanischen für Verräter steht, kann Fink egal sein. Maßgeblich für Finks Eigenwilligkeit sind die Geschichten, die Nils Koppruch, der auch als Maler SAM seine Fans hat, erzählt. Er setzt auf einen besonderen Humor und raue Schlichtheit: „Grundsätzlich habe ich die Idee, mit möglichst einfachen, unprätentiösen Mitteln Dinge darzustellen, Zusammenhänge zu reduzieren und auf ihren Kern zu bringen – ob in Musik oder Malerei.“

Einfachheit. Was deswegen noch nicht klare Zuordnungen möglich macht. Wie war das noch einmal mit Country? Spätestens seit Finks vorigem, fünften Album „Haiku Ambulanz“ hat sich gezeigt, wie schwer man sich tut, die sture Ordnung in der Kommode der Stilrichtungen wieder aufzubrechen, wenn von außen bereits die Etiketten an die Schubfächer geklebt wurden. Auch elektronische Klänge waren auf „Haiku Ambulanz“ zu hören. Finks bisher erfolgreichstes Album irritierte manchen Fan.

„Deutscher Country“ war die Schublade für Fink, und dabei scheinen eben Synthesizer und Gospelchöre nicht zu Banjo und Dobro zu passen. Eine Schublade, in der es sich Nils Koppruch nie bequem machen wollte: „Wenn die Zeitung also schreibt, dass da eine deutsche Countryband auftritt oder veröffentlicht, dann empfinde ich das als Etikettenschwindel und kann mich da selbst überhaupt nicht wiederfinden. Zum anderen löst dieser Begriff Assoziationen aus, die gar nicht auf uns zutreffen. Das geht weit über die Musik hinaus. Der Wegweiser zeigt nicht nur in Richtung Truck Stop, sondern auch in Richtung Nostalgie, Klischee, USA und Verklärung.“

Bereits zu Finks Plattendebüt ließ Koppruch wissen: „deutschen Country gibt es nicht.“ Die einzigen Countrylieder des Nordens sind Seemannslieder. Fink aber gehört der Luftraum. Der liegt über allem und darin kommen sie weit rum. Ein Nest haben sie auch, und das liegt im Norden, wo die steife Brise bislang noch allen Kitsch aus den Federn geblasen hat und der Blick weit schweifen kann. Imke Staats

Fink auf Tour: 15.4.: Bremen, Lagerhaus. 16.4.: Bielefeld, Kamp. 17.4.: Münster, Gleis 22. 4.5.: Hamburg, Fabrik. 5.5.: Flensburg, Volksbad. 7.5.: Schwerin, Dr. K