Genoppte Köpfe

Claudia Fährenkempers Fotos im Altonaer Museum

Sind das wirklich unsere Ahnen da hinten? Die schwarzweißen, genoppt-gepunkteten, mit riesigen Augen versehenen Wanzen- und Käferköpfe, die stumm und fern aus ihren Rahmen schauen? Beziehungsweise – eben nicht schauen, sondern sich eingeigelt haben in ihre spezifische Form von Leben, gefangen in jener Dunkelheit, die Fotografin Claudia Fährenkemper, derzeit im Altonaer Museum präsent, mit Hilfe einer speziellen Belichtungstechnik eingefangen hat.

Denn eigentlich ist sie finster, jene Welt, in die Forscher per Nano-Mikroskop hineinlugen. Illusion ist auch die so sinnlich wirkende Tiefenschärfe: Nichts von all dem kann der Mensch in natura sehen – und wer weiß, ob jener Mikrokosmos, hundertfach vergrößert, tatsächlich existiert. Vielleicht ist es auch die Welt jenseits der Schwarzen Löcher, die sich hier zeigt, den ständig dräuenden digitalen Trug immer inbegriffen.

Und doch erzeugt sie Ehrfurcht, die Reihe „Embryo“, bestückt mit Baumsamen, die einem frühen menschlichen Embryonalstadium ähneln und perfekt die Wiederkehr der Formen demonstrieren. Mit Nähten ist dagegen die Gummihaut der Wanze verschweißt, mit winzigen Noppen der Käferkopf geschmückt. Und das Sinneshaar des Käfers dort hinten? Könnte eine sanft gewellte Locke sein.

Déjà-vu-Erlebnisse und Fremdheit zugleich transportieren diese Bilder – und wer mag ausschließen, dass jene Wanzen und Pflanzen nicht vielleicht uns als bizarr empfinden und ihre eigene Körpervariante als „normal“? Und sind Insekten nicht strahlungsresistenter als der Mensch und mithin Geschöpfe, die uns überleben werden?

Überlegungen, bei denen sich der Betrachter genausowenig zwischen Kunst und Biologie entscheidet, wie es die Claudia Fährenkemper getan hat, die leider der Versuchung nicht widerstand, Beschriftungen anzubringen, die über Tier- und Samensorte informieren. Ein desillusionierender, den Betrachter leise bevormundender Kunstgriff, der die Phantasie nicht wuchern lassen mag und eher auf das wiedererkennende Staunen setzt.

Petra Schellen

Di–So 11–18 Uhr, Altonaer Museum, bis 19.6.