Scharfzüngige Rednerin ohne Stallgeruch

Helle Thorning-Schmidt ist neue Chefin der dänischen Sozialdemokraten. Radikaler Neuanfang lautet die Parteidevise

Nach zwei Katastrophenwahlen in Folge und einem massiven Mitgliederschwund soll es nun offenbar ein radikaler Neuanfang bringen. Mit einer Mehrheit von 53 Prozent wählten die dänischen SozialdemokratInnen in einer Urabstimmung die 38-jährige Helle Thorning-Schmidt zur Parteichefin. Es ist die erste Frau in diesem Amt, und die Nachfolge des 59-jährigen Parteiveteranen Mogens Lykketoft bedeutet nicht nur einen Generationen-, sondern auch einen tief greifenden Imagewechsel. Die scharfzüngige Debattenrednerin ist mal arrogant, mal elegant, aggressiv, machtbewusst, ambitiös und hat keinen sozialdemokratischen Stallgeruch. Sie ist in vielem das genaue Gegenteil der Männer, die die Partei zuletzt so glücklos geführt hatten.

Schon vor drei Jahren, als Lykketoft zum Nachfolger Poul Nyrup Rasmussens gewählt wurde, galt sie vielen jungen in der Partei als Wunschkandidatin, doch als politisch zu unerfahren für so eine Aufgabe. Die einzigen Meriten: seit 1992 Parteimitglied und 1999 ein erfolgreicher Wahlkampf, der für ein Mandat im Europaparlament reichte.

Viel hat sich daran nicht geändert. Nur dass sie diesen Sessel nach den Wahlen im Februar gegen einen im Folketing eintauschte. „Entweder Erfahrung oder Erneuerung, beides kann man nicht haben“, lautet die Standardantwort der Politikwissenschaftlerin auf solche Fragen.

Doch wenn es um eine inhaltliche Erneuerung der Partei geht, haben die ParteigenossInnen nun eher auf ein konservatives Blatt gesetzt. Stand Frank Jensen, ihr Gegenkandidat, für einen deutlichen Linksruck, muss Thorning-Schmidt der Parteirechten zugeordnet werden. So möchte sie den Mittelstand steuerlich entlastet sehen. Statt für den weiteren Ausbau des Wohlfahrtsstaats tritt sie für eine Reformphase ein, die auch Einschnitte bei sozialen Besitztümern beinhalten könnte. Die dänische Iraktruppe will sie erst abziehen, wenn die Situation „friedlich, stabil und demokratisch“ ist.

Vor allem aber will sie offenbar am restriktiven und umstrittenen ausländerpolitischen Kurs der Partei festhalten: Die DänInnen erwarteten eine „stramme“ Politik. „Gucci-Helle“ – den Spitznamen bekam sie wegen ihrer Vorliebe für Stiefel dieser Marke in ihrer Zeit als EU-Verbindungsfrau des Gewerkschaftsdachverbands LO – könnte die vielen zur fremdenfeindlichen Dänischen Volkspartei abgewanderten sozialdemokratischen StammwählerInnen zurücklocken.

Einziges „Manko“ insoweit: ihre positive Einstellung zur EU. Damit liegt sie mittlerweile im Mainstream ihrer Partei, die in ihrer großen Mehrheit Frieden mit Brüssel geschlossen hat. Ein Novum war ihre Wahl nicht nur, weil die Urabstimmung unter den 58.000 SozialdemokratInnen im Internet stattfand, nachdem ein Parteitag keine ausreichende Mehrheit gebracht hatte. Sondern auch, weil mit Thorning-Schmidt nun vier der sieben dänischen Parlamentsparteien unter weiblicher Führung stehen. REINHARD WOLFF