EU-Kommission eröffnet Verfahren gegen Budapest

UNGARN Im Streit um die Verfassungsreform hat Regierung einen Monat Zeit für Stellungnahme

STRASSBURG/BRÜSSEL dapd | Jetzt macht Brüssel Ernst gegen den ungarischen Regierungschef Viktor Orbán und dessen radikale Verfassungsreform. Nach wochenlangem Lavieren eröffnete die EU-Kommission am Dienstag ein Verfahren gegen Budapest. In drei Punkten sehen die EU-Vertragshüter die Regeln verletzt: bei der Kontrolle über die Zentralbank, beim Eingriff in die Justiz und bei der Beschneidung des Datenschutzes.

„Wir hatten gehofft, das Ungarn die notwendigen Änderungen vornimmt“, sagte Kommissionschef José Manuel Barroso. „Das war aber nicht der Fall.“ Zu jedem Vorbehalt schickte Brüssel Orbán noch am Dienstag einen Brief. Räumt er die Kritik nicht binnen eines Monats aus, ist eine Klage vor dem Europäischen Gerichtshof wahrscheinlich. Der kann dann hohe Geldbußen verhängen.

Es wird also eng für den Ministerpräsidenten, der sein Land mit Zweidrittelmehrheit kontinuierlich nach rechts steuert und sich jede Einmischung von außen verbittet. Am Dienstag lud er sich selbst nach Straßburg ein, um sich dort am Mittwoch vor dem Parlament gegen „Lügen und ungerechtfertigte Beschimpfungen durch die Internationale Linke“ zu verteidigen, wie sein Büro mitteilte.

Den Zorn von EU-Kommission und EU-Parlament zog sich Orbán durch eine Verfassungsreform zu, die er Anfang Januar durch das Parlament boxte. Sie beschneidet vor allem die im EU-Vertrag verankerte Unabhängigkeit der nationalen Zentralbank. In dem Punkt deutete Orbán immerhin Verhandlungsbereitschaft an. Er sehe keinen Grund, „die rechtlichen Argumente“ der EU-Kommission nicht anzuerkennen, sagte er. Zum Einlenken ist er aber auch gezwungen, weil die EU sonst die von Budapest beantragte Finanzhilfe zur Abwendung der Pleite nicht freigibt.

In den anderen Punkten aber gibt sich Orbán hart. Der EU ist ein Dorn im Auge, dass Justizbeamte jetzt zwei Jahre früher in Rente müssen, das Renteneintrittsalter in zwei Jahren aber schon wieder hochgesetzt werden soll. Dahinter steht der Verdacht, Orbán wolle unliebsame Staatsanwälte und Richter loswerden. In der Frage habe die EU keinerlei Kompetenz, tönt es aus Budapest. Ebenso in der Frage des Datenschutzes. Die Befugnisse des Datenschutzbeauftragten wurden stark eingeschränkt, was vom bisherigen Amtsinhaber scharf kritisiert wurde.