Sonne für den Sommer

MUSIKSZENE Der Verein Musikszene Bremen macht sich um die Subkultur der Stadt verdient. Und die Bremer Politik zeigt Ansätze einer öffentlichen Pop-Kulturförderung

■ Fucking In Champagne, Jean Paul Moustache, Supervoss, Samstag, 21. 2., 20 Uhr.

■ Ein Leseabend mit Nagel, Donnerstag, 26. 1., 20 Uhr.

■ Zollfrei – Open Stage Session, Mittwoch, 1. und 15. 2., 20 Uhr.

■ Das Pack, Ramenoes, Freitag, 17. 2., 20 Uhr.

■ Calamari Sidetrip, Samstag, 18. 2., 20 Uhr.

■ weitere Informationen: www.musikszene-bremen.de und www.zollkantine.de.

von ANDREAS SCHNELL

Als damals der Kirchentag nach Bremen kam, sorgte das keineswegs bei allen Menschen in der Stadt gleichermaßen für Freude. Vor allem die Musiker und Musikerinnen, die zuvor im Postamt am Bahnhof ihre Proberäume hatten, waren nachhaltig verstimmt: Sie hatten nämlich zugunsten des Kirchentagsbüros ausziehen müssen.

Das war im Juli vor knapp fünf Jahren. Seit Mai 2008 ist zumindest für einen Teil der damals obdachlos Gewordenen das Problem gelöst: Nach Verhandlungen mit der Stadt Bremen bezogen 30 Bands das alte Zollamt in der Überseestadt, mittlerweile proben dort 50 bis 70 Bands. Organisiert sind sie in dem Verein Musikszene Bremen e. V., der seinerseits Mieter des Gebäudes ist und Proberäume an die Bands vermietet.

Damit ist es aber noch nicht getan. Der Verein hat sich nämlich vorgenommen, der Musikszene insgesamt neue Impulse zu geben, denn „eine Stadt ohne Subkultur ist wie ein Sommer ohne Sonne“, wie es auf der Internetseite von Musikszene Bremen heißt. Deswegen geht es nicht nur um Proberäume, sondern auch um das, was man heute so schön Vernetzung nennt: Veranstaltungen, Workshops, Austausch und Beratung werden als weitere Aufgaben formuliert.

Julia von Wild, die einen Tag in der Woche im Zollamt im Büro sitzt und sich um die Projektorganisation kümmert, beschreibt die Perspektive des Zollamts als Musikkulturzentrum, „aus der Szene für die Szene“, wobei der Austausch zwischen den Bands eine entscheidende Rolle spielt. Damit knüpft sie an Erfahrungen an, die sie mit dem Projekt „Stage Europe Network“ gesammelt hat. Und nicht zuletzt soll es darum gehen, Pop- und Rockmusik in der Bremer Kulturlandschaft zu verankern, am besten natürlich mit öffentlicher Förderung. Und dafür gibt es bereits erste Ansätze. Das jährlich vor dem Zollamt stattfindende Übersee-Festival (dieses Jahr am 24. und 25. August) wurde im letzten Jahr mit immerhin 10.000 Euro unterstützt.

Seit Anfang letzten Jahres trifft sich regelmäßig die „Verstärker“-Gruppe, die Clubbetreiber, Musiker, Netzwerker und die Politik ins Gespräch bringen will. „Masterziel ist die bundesweite Vernetzung“, wie von Wild formuliert. Erster Effekt sind die Verstärker-Konzerte, die Clubs die Gelegenheit geben sollen, kleine Bands quasi zu testen. Zwar ist damit kein Geld zu verdienen, aber dafür ist das Risiko minimal: Die Zollkantine bietet eine Verstärkeranlage, die sonst gemietet werden muss, am Tresen stehen ehrenamtlich Vereinsmitglieder. Bislang hat nur Andre Stuckenbrock von der Treue davon Gebrauch gemacht, der mit seiner Band Jean Paul Moustache ebenfalls im Zollamt probt, aber das Interesse bei anderen Clubbetreibern ist laut Stuckenbrock vorhanden.

Als Veranstaltungsort muss sich die Zollkantine zwar noch etablieren, aber laut Julia von Wild ist die Resonanz inzwischen „ganz gut“. Inzwischen taucht die Zollkantine auch auf Tourplänen von Bands wie Hirsch Effekt oder Alex Amsterdam auf, Ende Januar gibt es eine Lesung mit Muff-Potter-Sänger Nagel.

Und alle zwei Wochen lädt das Zollamt zu „Zollfrei“-Abenden ein. Torben Janz, der mit seiner Band Fucking In Champagne im Hause probt, dachte sich eines Tages, Jam Sessions müssten nicht nur etwas für Jazzer sein. Und organisierte mit einer mittlerweile rund acht Personen zählenden Event-Gruppe einen regelmäßigen Treff für Musiker und Musikerinnen mit offener Bühne. Davor präsentiert sich immer eine Band aus dem Haus.

Die Musiker und Musikerinnen nutzen also die Möglichkeiten, die ihnen das Zollamt bietet, nach Kräften. Nun muss die Kulturpolitik ihren Teil tun, dann wird Bremen vielleicht eines Tages das neue Seattle.