Demonstration für Hrant Dink

TÜRKEI Rund 20.000 Menschen gedenken in Istanbul des 2007 ermordeten armenischen Journalisten

ISTANBUL taz | Auf einer der größten Demonstrationen, die Istanbul in den letzten Jahren gesehen hat, protestierten gestern fast 20.000 Menschen anlässlich des 5. Todestages des armenischen Journalisten Hrant Dink gegen ein Urteil vor zwei Tagen.

Ein Gericht in Istanbul hatte nach gut vier Jahren Prozessdauer verneint, dass der Journalist und Menschenrechtler einem Komplott zum Opfer gefallen war, und lediglich zwei junge Männer als Einzeltäter verurteilt. Empört forderte die Menge „Gerechtigkeit für Hrant Dink“. Die meisten Teilnehmer der Demonstration waren davon überzeugt, dass die Drahtzieher bei dem Attentat gegen den armenischen Journalisten bis heute vom Staat gedeckt werden. Kommentatoren und Redner auf der abschließenden Kundgebung sprachen von einem „zweiten Mord“ durch das Gericht.

Die Empörung in der türkischen Öffentlichkeit ist so groß, dass sowohl Staatspräsident Abdullah Gül als auch Premier Tayyip Erdogan Stellung nehmen mussten. Beide verwiesen darauf, dass das Verfahren in die Berufung gehen wird und vor dem Obersten Gericht noch anders ausgehen könnte.

Demonstration und Kundgebung verliefen friedlich. Dink war 2007 vor dem Haus der armenisch-türkischen Wochenzeitung Agos, deren Chefredakteur er war, ermordet worden. Der Täter, ein minderjähriger rechtsradikaler Jugendlicher, wurde zu 22 Jahren Haft verurteilt.

Das Hauptverfahren ging erst am Dienstag dieser Woche zu Ende. Von den 19 Angeklagten wurde nur ein Mann als Anstifter des Todesschützen zu lebenslanger Haft verurteilt. Trotz etlicher Indizien, die alle auf Hintermänner im Geheimdienst- und Polizeiapparat verweisen, wurden alle Ermittlungen zu den wahrscheinlichen Drahtziehern abgeblockt. JÜRGEN GOTTSCHLICH