Kreuzberg verarmt immer weiter

Studie: In Friedrichshain-Kreuzberg hat sich die soziale Situation nicht verbessert. Hartz IV erschwert Erfassung

Einen halben Liter Bier für 49 Cent, den gab es gestern an einer Kreuzberger Imbissbude. Schwer genug ist es für einen Kleinstunternehmer, die Kunden in Zeiten von Hartz IV zum Konsumieren zu bringen – da muss mit attraktiven Sonderangeboten gelockt werden. Vor allem in Kreuzberg, wo der Trend zur Verarmung anhält. Das ist das Ergebnis einer neuen Sozialstudie des Instituts für angewandte Demographie (Ifad), die gestern in Auszügen vorgestellt wurde. Die Studie basiert auf den Sozialhilfedaten des Bezirks Friedrichshain-Kreuzberg von 2003 und 2004.

Demnach hat sich die soziale Situation insgesamt in beiden Stadtteilen nicht verbessert. Im Stadtteil Friedrichshain stieg die Zahl der Sozialhilfeempfänger an, allerdings liegt ihr Anteil an der Gesamtbevölkerung deutlich unter dem in Kreuzberg. Das liegt vor allem an der hohen Sozialhilfeabhängigkeit der nichtdeutschen Kreuzberger und ihrem hohen Bevölkerungsanteil. 24,5 Prozent aller Nichtdeutschen in Kreuzberg leben von Sozialhilfe, bei den Deutschen sind es 13,2 Prozent. In Friedrichshain sind 9,6 Prozent der Nichtdeutschen in der Sozialhilfe, bei den Deutschen sind es 6,8 Prozent.

Dass Ausländer häufiger auf Sozialhilfe angewiesen sind als Deutsche, liegt an ihren geringeren Chancen auf dem Arbeitsmarkt wegen der mangelhaften Schulbildung. 29 Prozent der nichtdeutschen Sozialhilfeempfänger in dem Bezirk haben keinen Schulabschluss.

Auch innerhalb der Stadtteile gibt es Unterschiede: Besonders arm ist der Nordwesten Kreuzbergs, also das Gebiet nördlich der Hochbahn und westlich von Kottbusser Tor und Moritzplatz. Relativ wenige Sozialhilfeempfänger gibt es in Kreuzberg Südwest, also etwa um die Bergmann- und Graefestraße.

In Friedrichshain konzentrieren sich die Sozialhilfeempfänger ebenfalls im Nordwesten, also nördlich der Karl-Marx-Allee und westlich der Petersburger Straße. Vergleichsweise besser situiert ist der Südosten des Stadtteils, vor allem um den Boxhagener Platz. „Dieser Teil Friedrichshains dürfte eine ähnliche Aufwertung erfahren wie etwa Teile von Mitte und Prenzlauer Berg“, so Ifad-Chef Harald Michel. Bei anderen Quartieren sei die Entwicklung noch unklar. Wegen der Änderungen durch Hartz IV werde die Armutsentwicklung aber statistisch kaum noch erfasst werden können.

RICHARD ROTHER