: Spezialistin für Systemwechsel
Marianne Kneuer mag es verhältnismäßig praktisch – auch wenn ihr Job ein zutiefst theoretischer ist. Kommende Woche hält die Politikwissenschaftlerin ihre Antrittsvorlesung an der Universität Hildesheim – das Thema: Internet und Demokratisierung.
Kneuer will zwei für ihren Fachbereich schon recht praktischen Fragen nachgehen: Wie kann das Netz den Aufbau von Demokratien beeinflussen? Und welche Rollen spielt es in Diktaturen? Abschließend werden ihre Antworten dann allerdings nicht sein: Kneuer baut in Hildesheim gerade eine Forschungsgruppe zum Thema auf.
Die 47-Jährige ist eine Spezialistin für Systemwechsel geworden. Ihr Antrieb: Sie studierte kurz nach dem Ende des Franco-Regimes für eine Zeit in Spanien und erlebte dort eine Gesellschaft im politische Umbruch. Kneuer begann, in dem Gebiet zu forschen.
„Dann kam 89/90“, wie sie sagt, das Ende des Ostblocks, und plötzlich war Systemwechsel ein politikwissenschaftliches Mega-Thema. Sie verglich den Übergang hin zu demokratischen Systemen in Osteuropa mit dem Prozess in Südeuropa – und die Rolle, den die Europäische Union dabei spielte. Ihr Ergebnis: „Ohne die Hilfe der EU in Ost- und Südeuropa wäre der Übergang nicht so flott gegangen.“
Kneuer studierte und promovierte an der Uni Bonn, habilitierte an der Katholischen Uni Eichstätt und vertrat, ehe sie nach Hildesheim kam, Lehrstühle in Erfurt, Hagen und in Darmstadt. Sie ist derzeit Vorsitzende der Deutschen Gesellschaft für Politikwissenschaft. Neben ihrer Uni-Karriere hat sie fünf Jahre lang als Redakteurin bei einer politischen Monatszeitschrift der CDU-nahen Konrad-Adenauer-Stiftung gearbeitet und war einige Monate bei der FAZ. Sie arbeitete weitere fünf Jahre als Referentin im Planungsstab von Bundespräsident Roman Herzog.
Kneuer verteidigt die praktische Relevanz von Politikwissenschaft: „Wir machen viel empirische Forschung“, sagt sie etwa. „Wir arbeiten zum Beispiel jetzt die Arabellion auf.“ Und dass das Problem sei, „dass die Durchlässigkeit zwischen Politik und Politikwissenschaft nicht so hoch ist“. Als Politikwissenschaftlerin an einer normalen Uni sei es schwer, mit der Praxis in Kontakt zu kommen, glaubt sie: „Für uns besteht die Gefahr, zu abstrakt und theoretisch zu bleiben.“
Als Dozentin versuche sie, dem entgegenzuwirken. Sie versuche „anwendungsorientiert“ zu lehren und beispielsweise ihre praktische Erfahrung aus der Zeit im Stab des Bundespräsidenten einfließen zu lassen. So lässt sie ihre Studierenden auch schon mal politische Konzepte entwickeln – etwa gegen Drogenkartelle in Mexiko. DKU
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