: Gut gegen Böse sieht anders aus
FILESHARING Die Rechteinhaber schlagen zurück: Netz-Unternehmer Kim Schmitz wird die Bildung einer kriminellen Vereinigung vorgeworfen
VON DANIÉL KRETSCHMAR
Am Donnerstag fiel im neuseeländischen Auckland der vorerst letzte Vorhang für den Internetunternehmer Kim Schmitz. Der Mann, der seinen Namen vor einiger Zeit in Kim Dotcom änderte, ist dort verhaftet worden. Als Gründer und mutmaßlicher Hauptverantwortlicher für das Tagesgeschäft des Filesharing-Hosters Megaupload droht ihm in den USA eine langjährige Haftstrafe wegen systematischer Urheberrechtsverletzungen, Geldwäsche und der Bildung einer international operierenden kriminellen Vereinigung.
Die Vorwürfe werden von einem US-amerikanischen Bezirksgericht erhoben und beziehen sich auf das Geschäftsmodell der Mega-Gruppe, Speicherplatz online zur Verfügung zu stellen, auf die Nutzer aus aller Welt beinahe beliebige Datenmengen zur allgemeinen Verfügung bereithalten können. Schmitz und sechs seiner Partner und Angestellten werden beschuldigt, wissentlich und planvoll urheberrechtlich geschützte Werke, Filme und Musik, illegal auf der Plattform angeboten zu haben. Der Schaden wird auf eine halbe Milliarde Dollar beziffert, der Profit des Unternehmens aus den unterstellten kriminellen Aktivitäten auf weit über 100 Millionen Dollar geschätzt.
Als der Musikindustriegigant Universal im Dezember ein Werbevideo der Mega-Gruppe auf YouTube sperrte, wurde bekannt, dass bestimmte Rechteinhaber besondere Zugangsrechte auf der Videoplattform haben, die ihnen einen direkten Zugriff auf tatsächlich oder angeblich illegale Inhalte ermöglichen. In diesem Konflikt sah Universal wie der totalitäre Überwacher aus, Schmitz aber wie ein David, der Goliath in die Knie zwingen könnte.
Dabei ist die Person Kim Schmitz keineswegs unumstritten, die taz etwa befindet sich in einem Rechtstreit mit ihm über Darstellungen zu seiner Person. Die Verhaftung eines der größten mutmaßlichen Anbieter von Downloads kann angesichts der politischen Auseinandersetzung um die Freiheit des Netzes jedoch nur als Warnschuss in Richtung aller Anbieter von Streams, Datenclouds und überhaupt Internetzugängen verstanden werden. Die Netz-Enzyklopädie Wikipedia mag aus Protest gegen Zensurbestrebungen im Netz einen Tag lang schwarz getragen haben – die Macht, ganze Serverfarmen und Unternehmen schließen zu lassen, liegt weiterhin bei den Konzernen der Unterhaltungsindustrie. (Wikipedia bezeichnet Schmitz übrigens als „Wirtschaftskriminellen und Hacker“.)
Personen und Firmen, die die technischen Voraussetzungen für den Datenverkehr schaffen, sollen bald für seinen konkreten Inhalt, und damit auch die Verbreitung illegaler Inhalte durch seine Nutzer, verantwortlich gemacht werden können. Das ist der angestrebte Paradigmenwechsel von Gesetzesinitiativen wie SOPA und PIPA in den USA und ACTA in Europa. Der Zugriff auf Megaupload erscheint so als Drohgebärde einer ökonomischen Weltmacht, der es ernst ist. Sie scheint aber auf die neuen Gesetze auch nicht allzu dringend angewiesen zu sein, um ihre Interessen durchzusetzen. Auch Musik- und Filmstreamingdienste wie TVShack und Grooveshark erleben gerade, mit welcher Macht die Rechteinhaber ihre Profitquellen verteidigen. Die Unnachgiebigkeit der Strafverfolgung und der Versuch, legislativ in die jeweiligen Geschäftsmodelle einzugreifen, dürfte auch Internetgrößen wie Google und Facebook besorgt aufhorchen lassen.
Kim Schmitz alias Tim Dotcom alias Kim Tim Jim Vestor spielt geschickt auf der emotionalen Klaviatur einer Netzgemeinde, die nur zu gern an den Kampf zwischen Gut und Böse glauben möchte. Schmitz inszeniert sich als Galionsfigur im Kampf gegen SOPA und PIPA. Als Antwort auf seine Verhaftung griff das Netzwerk Anonymous die Internetseiten des US-Justizministeriums, der Universal Music Group und des FBI mit DDoS-Attacken an, die deren Server zum Erliegen brachten. Schmitz aber, der angebliche Held des freien Netzes, hat, so die Anklageschrift ihn korrekt zitiert, zur Bestätigung seiner in Frage gestellten Legitimität andere Filesharing-Hoster bei Geschäftspartnern und vor Gerichten angeschwärzt – wegen angeblicher Urheberrechtsverletzungen.