„Keine Illusionen über die Schwarzen“

SCHLESWIG-HOLSTEIN Bis zur Neuwahl wollen die Grünen mit neuen Mehrheiten arbeiten. Und danach regieren. Die designierte Spitzenkandidatin Monika Heinold und Fraktionschef Karl-Martin Hentschel im taz-Interview

■ sind seit 1996 Landtagsabgeordnete der Grünen in Schleswig-Holstein. Die gelernte Erzieherin Heinold ist Finanzexpertin und Parlamentarische Geschäftsführerin der Landtagsfraktion. Der Diplom-Mathematiker Hentschel ist seit 1981 Parteimitglied, seit 2000 Fraktionschef.Fotos: privat, dpa

INTERVIEW SVEN-MICHAEL VEIT

taz: Frau Heinold, Herr Hentschel, steht Schleswig-Holstein nach dem Bruch der CDU-SPD-Regierung ein schmutziger Wahlkampf bevor?

Karl-Martin Hentschel: Nicht von grüner Seite, wir werden inhaltlich argumentieren. Ich habe aber die Befürchtung, dass die beiden Hauptkontrahenten Peter Harry Carstensen und Ralf Stegner das Nachtreten nicht lassen können.

Aber einer der beiden könnte nach der Wahl ihr Koalitionspartner werden.

Hentschel: Damit muss man wohl rechnen. Deshalb müssen wir Grüne möglichst stark werden. Wir wollen die Finanzprobleme des Landes lösen, ein gerechtes Bildungssystem schaffen, Klima- und Wirtschaftspolitik vereinen …

Wenn Sie das Ernst meinen, kommt die CDU als Partner nicht in Frage.

Monika Heinold: Wir lassen uns jetzt nicht auf Farbspielereien ein. Nach der Wahl sehen wir, welche Möglichkeiten es gibt.

Viele Wähler würden gerne vorher wissen, was sie wählen, wenn sie Grüne wählen.

Heinold: Vorfestlegungen gehen oft schief, weil wir das Ergebnis ja noch gar nicht kennen. Aber wenn wir die Parteiprogramme vergleichen, dann sind die Schnittmengen mit der SPD natürlich deutlich größer als mit der CDU.

Hentschel: Ich warne vor Illusionen über eine Zusammenarbeit mit den Schwarzen. Die dörfliche CDU-Basis in Schleswig-Holstein ist stockkonservativ und hat oft noch die Hasskappe auf, wenn es um die Grünen geht.

Also Rot-Grün oder eine Ampel? Auch mit dem SSW?

Hentschel: Mit dem SSW dürfte eine Zusammenarbeit unproblematisch sein. Da gibt es eine große inhaltliche Nähe. Aber niemand, der solide Politik will, kann an einer Koalition mit FDP-Fraktionschef Wolfgang Kubicki interessiert sein.

Dann lieber Stegner?

Hentschel: Ja.

Und wo steht Carstensen in diesem Ranking?

Heinold: Alle drei sind keine Wunschpartner. Wir müssen sehen, mit wem wir grüne Inhalte am besten durchsetzen können. Das ist das Entscheidende.

Damit können Sie schon anfangen. Gegen die CDU könnten Sie im Landtag Mehrheiten organisieren und mögliche Partner auf die Probe stellen.

Hentschel: Auf der letzten Landtagssitzung im September wollen Grüne, SSW und FDP eine weitere Amtszeit des Datenschutzbeauftragten Thilo Weichert, der Mitglied der Grünen ist, beschließen. Wir gehen davon aus, dass die SPD zustimmt. In der Frage des Bleiberechts wollen wir eine Initiative im Bundesrat in Gang bringen, damit nicht Tausende Menschen zum Jahresende ihr Bleiberecht in Deutschland verlieren. Auch da könnte die CDU alleine stehen.

Heinold: Gute Chancen für Mehrheiten sehen wir auch beim Verbot der Lagerung von Kohlendioxid in Schleswig-Holstein und für den Beschluss, alle Möglichkeiten zu prüfen, um das AKW Krümmel stillzulegen.

Die Grünen wollen in drei Wochen ihre Landesliste aufstellen. Mit Monika Heinold als Spitzenkandidatin?

Nach dem Ende der CDU-SPD-Regierung in Schleswig-Holstein soll die Neuwahl zusammen mit der Bundestagswahl am 27. September erfolgen.

■ Die erste Umfrage nach dem Koalitionsbruch stammt vom Wochenende: CDU 32 Prozent (2005: 43,3 %), SPD 23 % (41,1 %), FDP 17 % (6,2 %), Grüne 15 % (5,4 %), SSW 4 % (2,6 %), Linke 5 % (–).

■ Damit gäbe es eine schwarz-gelbe Mehrheit in einem Sechs-Fraktionen-Landtag.

Heinold: Ja, ich kandidiere für Platz 1 und würde mich freuen, wenn mir die Partei ihr Vertrauen schenkt.

Und um Platz 2 gibt es ein Duell zwischen Parteichef Robert Habeck und Fraktionschef Karl-Martin Hentschel?

Hentschel: Ich werde in dieser Woche zuerst meine Partei informieren, auf welchem Platz ich kandidieren werde. Ich bitte um ein paar Tage Geduld.

Wollen Sie erst noch intern Differenzen glattbügeln?

Hentschel: Nein. Robert und ich arbeiten seit Jahren sehr gut und konsensual zusammen, daran wird sich wegen der Landtagskandidatur nichts ändern.

Was muss rasch getan werden, um das Image der Politiker in Schleswig-Holstein so zu verbessern, dass das Land zwischen den Meeren und den Affären vom Rest der Republik wieder ernst genommen wird?

Hentschel: Vielleicht sollte die eine oder andere Partei ihre Spitzenkandidaten austauschen. Das könnte helfen.