Gorleben spaltet die Grünen

ATOMMÜLL Niedersachsens Grüne sind verärgert über die regierenden Grünen in Südwestdeutschland. Die Verhandlungstaktik von Kretschmann & Co sei „intransparent“

„Wir fühlen uns wie Gänse, mit denen man nicht über Weihnachten reden kann“

VON MALTE KREUTZFELDT

BERLIN taz | Innerhalb der Grünen ist ein offener Konflikt um die Rolle von Gorleben im Rahmen des neuen Endlager-Suchprozesses von Bund und Ländern ausgebrochen. Dass die grünen Landesvertreter in den Gesprächen mit dem Bundesumweltministerium nicht darauf bestanden haben, den umstrittenen Salzstock im Wendland als möglichen Standort im neuen Verfahren auszuschließen, stößt bei den niedersächsischen Grünen auf Unverständnis und scharfe Kritik.

„Wir halten es für unseriös, dass ohne erkennbare und nachvollziehbare Diskussion der geologischen Mängel des Salzstockes der Standort Gorleben unbedingt Teil des ‚neuen‘ Such- und Bewertungsverfahrens bleiben soll“, schreiben der niedersächsische Fraktionschef Stefan Wenzel, seine Stellvertreterin Miriam Staudte und die aus dem Gorleben-Landkreis Lüchow-Dannenberg stammende Europaabgeordnete Rebecca Harms in einer Mail an grüne Landesvertreter, die der taz vorliegt. Empfänger sind unter anderem Ministerpräsident Winfried Kretschmann und Umweltminister Franz Untersteller aus Baden-Württemberg, Wirtschaftsministerin Eveline Lemke aus Rheinland-Pfalz und NRW-Umweltminister Johannes Remmel.

Die geologischen Mängel von Gorleben, zu denen ein fehlendes Deckgebirge, Kontakt zum Grundwasser und das Vorkommen von Gas und Öl gehörten, würden in den Verhandlungen „tabuisiert“, damit der Salzstock „zentraler Standort in einem angeblich ganz neuen Verfahren“, bleiben könne, schreiben Wenzel, Staudte und Harms. Besonders bedenklich finden sie das Festhalten an Gorleben, weil verbindliche Sicherheitskriterien für das künftige Verfahren den bisherigen Plänen zufolge erst nach der Verabschiedung eines Endlager-Suchgesetzes im Bundestag festgelegt werden sollen. Dieses Vorgehen sei gefährlich, denn bisher seien stets „die Sicherheitheitsanforderungen an das angepasst worden, was man in Gorleben vorgefunden hat“.

Scharf kritisieren Harms, Staudte und Wenzel auch die bislang fehlende Einbindung der Zivilgesellschaft in den Verhandlungsprozess. Ein „intransparentes Vorgehen“ müsse vermieden werden. Zudem bemängeln sie die Eile, mit der ihre Parteifreunde „nach relativ kurzer Befassung sehr weitreichende Entscheidungen“ treffen sollen, sowie den teilweise fehlenden Austausch mit den Niedersachsen, durch den sie sich fühlten wie „die Gänse, mit denen man nicht über Weihnachten reden kann“. Von den Verhandlungsführern der Grünen hatte sich bisher nur die rheinland-pfälzische Ministerin Lemke vor Ort in Gorleben informiert. Baden-Württembergs Umweltminister Untersteller soll sich inzwischen ebenfalls angekündigt haben.

Bund und Länder verhandeln seit November über einen „Konsens“ in der Endlagerfrage. Noch in diesem Jahr wird die Einigung auf ein Gesetz angestrebt. Umweltverbände hatten zuletzt deutliche Kritik an der Verhandlungsposition der grünen Landesvertreter und auch der Bundestagsfraktion geübt. Sie fordern, Gorleben wegen der erwiesenen Mängel im neuen Endlagerprozess auszuschließen. Dafür hatte sich zuletzt auch der SPD-Parteitag ausgesprochen. Die Grünen setzten bisher darauf, dass Gorleben aufgrund von Sicherheitskriterien ausscheidet. Union und FDP wollen, dass Gorleben im Prozess bleibt.