Prag: Regierungskrise

Tschechische Koalition komplett verkracht. Jetzt will der Staatschef wissen, ob es eine Regierung gibt oder nicht

PRAG ap/rtr ■ In Tschechien stehen die Zeichen jetzt offenbar ganz auf Neuwahlen. Die Sozialdemokratische Partei (CSSD) des noch amtierenden, in Skandale verwickelten Ministerpräsidenten Stanislav Gross lehnte am späten Donnerstagabend einen von Unterhändlern vorgelegten Kompromiss zur Fortsetzung der Mitte-links-Koalition ab. Präsident Václav Klaus erklärte daraufhin gestern, er werde Neuwahlen vorbereiten, falls die bisherigen Partner keine weiteren Gespräche mehr führen.

Der Rücktritt von Gross war Bedingung der Christdemokraten dafür gewesen, dass sie selbst die Regierung nicht verlassen. Allerdings hatten die Sozialdemokraten für den Fall einer Neubildung der Regierungskoalition mit einem neuen Regierungschef gefordert, dass keine Spitzenvertreter der Parteien Ministerämter übernehmen sollten. Das lehnten Christdemokraten und Freiheitsunion ab. Sie setzten sich am Donnerstagabend durch, was wiederum die Sozialdemokraten unter Ministerpräsident Gross ärgerte.

Nach der Entscheidung der Sozialdemokraten, ihrem Kompromiss nicht zuzustimmen, verließen Christdemokraten und Freiheitsunion ihrerseits die Verhandlungen. Verteidigungsminister Karel Kühnl und Justizminister Pavel Nemec von der Freiheitsunion kündigten ihren Rücktritt an. Jan Kasal von der KDU rügte, dass die Chance zur Bildung einer mehrheitsfähigen Regierung vertan worden sei. Finanzminister Bohuslav Sobotka von den Sozialdemokraten sagte, seine Partei werde trotzdem weiter versuchen, eine Regierung auf die Beine zu stellen.

Präsident Klaus rief die Parteien auf, umgehend klarzustellen, ob die Gespräche ein für alle Mal gescheitert seien. Sollte dies der Fall sein, werde er mit den Parteiführern sofort über die Einsetzung einer Übergangsregierung und die Verbereitung baldiger Neuwahlen beraten.