LESERINNENBRIEFE
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Gefängnis ohne Straftäter

■ betr.: „Keine Ausgeburt der Hölle“, taz vom 14. 1. 12

Mag sein, Herr Lengowski als Leiter des Köpenicker „Abschiebungsgewahrsams“ leidet darunter, dass seine formidable Anstalt nicht ausreichend für ihre humanitären Bemühungen gewürdigt wird. Dass behauptet werde, der Köpenicker Knast sei eine „Ausgeburt der Hölle“, gehört aber wohl eher in die Kategorie Projektion und lässt sich auch nicht ansatzweise in Veröffentlichungen der so gescholtenen Medien, des Flüchtlingsrats und noch nicht einmal der Initiative gegen Abschiebehaft finden.

Behauptet wird dort allerdings, dass die Inhaftierten nicht wissen, wie lange sie eingesperrt bleiben, dass sie bei Arztbesuchen und Botschaftsvorführungen häufig durch Handschellen öffentlich kriminalisiert werden und dass sie für den erlittenen Freiheitsentzug, der nur der Durchsetzung eines Verwaltungsaktes (nämlich der Abschiebung) dient, für jeden Tag mit 65,99 Euro zur Kasse gebeten werden!

Eine geharnischte Kritik hatte außerdem die Länderkommission zur Verhütung von Folter nach ihrem Köpenick-Besuch im April letzten Jahres formuliert: ein Gefängnis ohne Straftäter, fehlende Beschäftigung für die Inhaftierten, die Isolierung von Suizidgefährdeten und 192 Mitarbeiter, die damals 39 Gefangene bewachten.

So wenig, wie Flüge in der ersten Klasse die Abschiebung von Menschen humaner machen, so kurz greift auch die Forderung, dass die Kritiker des Einsperrens nun fünf Minuten längeren Freigang oder Blümchendecken auf den im Zellenboden verschraubten Tischen goutieren müssten. Dieses Denken wird die sich häufenden Selbstverletzungen im Knast kaum stoppen und geht völlig an den Fragen von Armenbekämpfung, Verantwortungsübernahme, institutionalisierter Ausgrenzung, Verhältnismäßigkeit usw. vorbei. Schade ist, dass Ihr Artikel gleichfalls nur an der Oberfläche bleibt und so meiner Ansicht nach weder Herrn Lengowski noch den Inhaftierten und auch nicht sonderlich dem Informations- und Auseinandersetzungsbedürfnis der LeserInnen dient. MARTIN SCHRÖTER,

Initiative gegen Abschiebehaft

Restkultur auf Sparflamme

■ betr.: „Pankow macht Kultur platt“, taz vom 19. 1. 12

Zuerst waren es die Hausprojekte und Jugendeinrichtungen, die das Feld räumen mussten. Die eingegangenen privatwirtschaftlichen Bars und Klubs sind gerade in aller Munde.

Seit der gescheiterten Olympia-Bewerbung Berlins Mitte der Neunziger fährt die kommunal gestützte Restkultur auf Sparflamme. Eine Streichung einer weiteren Million Euro im Kulturbereich im Bezirk Pankow würde dieses letzte Flämmchen auch noch auspusten. Wer hier noch mehr streicht, richtet doppelten und dreifachen Schaden an. Wer Schaden anrichtet, muss aber auch die Verantwortung dafür tragen und zum Schluss draufzahlen. Was als Einsparung daherkommt, ist in Wirklichkeit ein unwiederbringlicher Verlust. Der Bezirk verliert an Attraktivität für Bewohner und Handel. Lokale Dienstleister und Lieferanten verlieren ihre Auftraggeber. Jegliche Eigeninitiative der Bürger, etwa der Weiterbetrieb von Bibliotheken, wird dauerhaft ausgebremst. Jede Museumsschließung raubt der Gegend die Außenwirkung, Geschichte und Identität. Haushalten bedeutet, dass man dauerhaft alle im Haus am Leben hält, auch wenn nicht viel im Sparstrumpf steckt. Wer das nicht berücksichtigt, handelt leichtsinnig, verantwortungslos und verpasst dem Bezirk so den Todesstoß. JENZ STEINER, Berlin