Berufliche Orientierung beim Hausarzt

Arztpraxen sollen zusätzliche Aufgaben der Drogenhilfe übernehmen: Gesundheitsbehörde will psychosoziale Betreuung von Junkies HausärztInnen überantworten. Praxen müssten SozialarbeiterInnen einstellen. Doch MedizinerInnen winken ab

von Elke Spanner

Drogensüchtige mit Methadon zu substituieren, ist für niedergelassene ÄrztInnen eher ein Ehrenamt. Die Bezahlung ist mager, und im Wartezimmer neben Junkies sitzen zu müssen, treibt manch andere PatientInnen zur Konkurrenz. Deshalb gibt es in Hamburg nur eine Handvoll ÄrztInnen, die in ihrer Praxis mehr als nur einzelne Drogensüchtige substituieren. Diese Praxen, so die Idee der Gesundheitsbehörde, sollen nun zusätzliche Aufgaben der Drogenhilfe übernehmen: Sie sollen SozialarbeiterInnen einstellen und psychosoziale Betreuung für Junkies anbieten. Die Behörde hat auf einer Sitzung des „Arbeitskreises substituierender Ärzte (AK)“ bei der Ärztekammer bereits versucht, den MedizinerInnen die Idee schmackhaft zu machen.

Bisher wird psychosoziale Betreuung (PSB) von freien Trägern und den von der Stadt betriebenen Drogenambulanzen durchgeführt. Laut der PSB-Richtlinie umfasst das folgende Aufgaben: Die Sicherung des Überlebens des Patienten, seiner Opiatfreiheit, seiner gesundheitlichen und sozialen Stabilisierung, beruflichen Rehabilitation und sozialen Reintegration. Um das anzubieten, müssten die MedizinerInnen Räume anmieten, SozialarbeiterInnen einstellen, bei der Behörde Zuwendungen beantragen und das Ganze verwalten. Warum die ÄrztInnen diesen Aufwand auf sich nehmen sollten? Behördensprecher Hartmut Stienen antwortet mit einer Gegenfrage: „Warum sollten sie das nicht tun dürfen?“

Nun scheint es aber nicht einem lang gehegten Wunsch der Ärzteschaft zu entsprechen, ihr Aufgabenfeld derart zu erweitern. Für Norbert Strothmann, den Vorsitzenden des AK, kommt das in seiner allgemeinmedizinischen Praxis „gar nicht infrage“. Freie Räume habe er selbstredend nicht, Arbeit hingegen schon jetzt genug. Auch Eckhard Zeigert, der in seiner Praxis MethadonpatientInnen substituiert, fände das „weder wirtschaftlich noch inhaltlich“ vernünftig: „Wir haben ein sehr gutes Drogenhilfesystem mit sehr guten Einrichtungen, die psychosoziale Betreuung machen“, sagt er. „Es gibt keinen Grund, das so nicht weiterzuführen“.

Zum Verwaltungsaufwand kommt für die HausärztInnen hinzu, dass eine derartige Schwerpunktbildung auch abschreckende Wirkung auf andere PatientInnen haben könnte. In den allgemeinmedizinischen Praxen, so Strothmann „will man die Drogenpatienten integrieren“. Das funktioniere gut. Müsste man für die jetzt extra Räume und Sprechzeiten anbieten, „wäre das ein Rückschritt“.

Zu vermuten ist, dass die Behörde durch die Verlagerung der PSB in freie Arztpraxen Zuwendungen bei den Trägern kürzen will, die diese Leistungen zurzeit anbieten. Denn während Beratungsstellen mit ausgewiesenem Schwerpunkt PSB pro Patient im Einzelfall bis zu 40 Stunden im Jahr abrechnen können, ist die Anzahl dieser Stunden bei niedergelassenen Ärzten auf 18 Stunden begrenzt. Behördensprecher Stienen hingegen führt als Argument ins Feld, dass die Arbeit von Arzt und Therapeut „enger verzahnt“ werden soll. Auch das aber beeindruckt Mediziner Strothmann nicht: „Man bekommt schon jetzt Berichte von den psychosozialen Betreuern, wenn man diese anfordert.“

Auch Stienen räumt ein, dass die Idee wohl nur für „besonders engagierte Ärzte“ interessant wäre. Die Gesundheitsbehörde hat bereits festgestellt, dass die Resonanz in der freien Ärzteschaft bisher „nicht überschwenglich“ ist. Stienen: „Bisher gibt es noch keine Arztpraxis, die das macht.“