Bremerhaven setzt auf Auswanderung

Mit dem Richtfest des Deutschen Auswandererhauses feiert die sozial schwächste der norddeutschen Küstenstädte einen vorläufigen Sieg über Hamburg: Das dortige Konkurrenz-Projekt Ballinstadt hat zwar eine ähnliche Zielsetzung, harrt aber noch der Realisierung

Unverkennbar: Die Band intoniert wirklich „Muss i denn, muss i denn“, dieses schwer zu ertragende Volkslied, kitschig-zerdehnt, alles droht ins Peinliche zu kippen beim Richtfest des Deutschen Auswandererhauses in Bremerhaven. Aber Andreas Heller, Generalplaner, Architekt, Kurator und Gesellschafter des Museumsprojekts, hat das richtige Gespür.

Er ist schon auf die Bühne getreten, einen alten Mann an der Seite, und er sagt im beschwichtigenden Tonfall ins Mikro, dieser Herr, der da gebeugt an seiner Seite stehen habe „genau dieses Lied 1929 zum letzten Mal gehört hat, als das Schiff abgelegt hatte, hier, vom Quai in Bremerhaven“. Zur Überfahrt in die Neue Welt. Gerührt bestätigt der Originalauswanderer, ja, das sei das letzte, was er von seiner Heimat gehört habe. Und das hat dann doch etwas Ergreifendes.

Dass die Verwerfungszone Bremerhaven eindeutig die Nase vorn hat im Wettbewerb mit der wachsenden Stadt Hamburg, dass hier am 8. August Eröffnung gefeiert wird, während in der Metropole der erste Spatenstich zum Konkurrenz-Projekt „Ballinstadt“ noch aussteht, dürfte auch daran liegen, dass Heller alles richtig macht: Nicht zuletzt, indem er einen Teil der inhaltlichen Verantwortung rechtzeitig abgegeben, ein Kuratorium berufen und die Berliner Ausstellungsmacherin Sabine Süß als Direktorin gewonnen hat.

Im Zentrum der Ausstellung sollen Biografien von Auswanderern stehen, gespeist aus Erinnerungen: 15 Lebensläufe für die anonyme Masse der rund sieben Millionen, die von 1850 bis Mitte der 1960er-Jahre von hier ins Ungewisse aufbrachen. „Diese Erinnerungen“, so Süß, „sind etwas sehr Intimes. Das bedeutet für uns eine enorme Verantwortung.“ Indikator dafür, dass man sich dieser wirklich bewusst ist: Man hat sich von dem Effekt heischenden Begriff der „Erlebniswelt“ verabschiedet. Und hat eingesehen, dass die eigene Rolle falsch definiert wäre, wenn man sich nicht auch als Ort des Nachdenkens über die gegenwärtigen Migrationsbewegungen etablieren würde. bes