Berlin und Tokio bleiben außen vor

Trotz gegenteiliger Annahmen haben Deutschland und Japan keine Chance, bei einer UNO-Reform einen ständigen Sitz im Sicherheitsrat zu bekommen. Eine Mehrheit wäre höchstens für einen allgemeinen Antrag ohne Namensnennung möglich

In der Generalversammlung ist eine Zweidrittel-Mehrheit nötig

AUS GENF ANDREAS ZUMACH

Die seit Ende des Kalten Krieges laufende Debatte um eine Reform des UNO-Sicherheitsrats ging zumindest in Deutschland und Japan fast immer von einer Grundannahme aus: Diese beiden nördlichen Industriestaaten seien auf Grund ihrer Wirtschaftsstärke, der Höhe ihrer Pflichtbeiträge an die UNO sowie wegen ihres regionalpolitischen Gewichts in Europa und Asien sichere, quasi automatisch gesetzte Kandidaten für einen ständigen Ratssitz – bei welchem Reformmodell auch immer.

Die Bundesregierung Kohl/Kinkel gab sich Anfang der 90er-Jahre sogar der Illusion hin, es könne eine ausschließlich auf Deutschland und Japan begrenzte Erweiterung des Rats geben. Folgerichtig wurden die Beitrittsaspiranten Japan und Deutschland auch immer als Paket oder Tandem gehandelt. Diese Illussion hielt selbst dann noch, als US-Außenministerin Condoleezza Rice vor einigen Wochen sehr pointiert lediglich die offizielle Unterstützung der Bush-Administration für Tokios Bewerbung um einen ständigen Sitz erklärte, nicht aber für die Berliner Kandidatur. Auch ohne Washingtons Unterstützung werde man „im Windschatten Japans in den Sicherheitsrat segeln“, erklärte ein ranghoher deutscher UNO-Diplomat in New York.

Jetzt zeigt sich, dass die Grundannahme der Reformdebatte falsch war. Auch das Tandem existiert nur noch in der Niederlage. Deutschland wird die für einen ständigen Sitz erforderliche Unterstützung der USA nicht erhalten. Japan wird am Widerstand Chinas sowie möglicherweise auch Russlands scheitern.

Nach Artikel 108 der UNO-Charta ist jegliche Veränderung des Sicherheitsrats nur möglich, wenn Zweidrittel der Mitgliedstaaten der Generalversammlung (derzeit 128 von 191) „inklusive“ der derzeitigen fünf ständigen Ratsmitglieder – USA, China, Russland, Großbritannien und Frankreich – nicht nur zustimmen, sondern diese Zustimmung auch in ihren nationalen Parlamenten ratifizieren. Die Gesetze oder Verfassungen zahlreicher Staaten erfordern hierfür ebenfalls eine Zweidrittelmehrheit.

Auf UNO-Ebene wird sich eine entsprechende Mehrheit wenn überhaupt nur für einen ersten, allgemein gehaltenen Grundsatzbeschluss finden, wonach der Sicherheitsrat bei einer Reform sowohl um wahrscheinlich drei nichtständige als auch um vorraussichtlich sechs ständige Mitglieder auf dann 24 Staaten erweitert werden soll. Einen entsprechenden Antrag will die so genannte „Viererbande“ aus Deutschland, Japan und den beiden anderen Aspiranten für eine ständigen Sitz, Indien und Brasilien, bis Ende April gemeinsam einbringen. Doch mindestens 40 Mitglieder, also mehr als ein Fünftel der Generalversammlung, dürften gegen einen solchen Antrag stimmen.

Zur „Gruppe der 40“, die sich vergangene Woche formiert hat, gehören zahlreiche regionale Konkurrenten der „Viererbande“ wie Italien, Südkorea, Pakistan, Argentinien und Mexiko. Diese „undemokratische Verhinderungskoalition“ (so ein deutscher UNO-Diplomat in New York) fordert, dass die Entscheidungen über eine Ratsreform „nicht per Mehrheitsbeschluss, sondern im Konsens aller 191 Mitglieder der Generalversammlung getroffen werden“. Weiterführende Anträge, mit denen ständige Sitze für Deutschland, Japan oder andere Länder konkret gefordert werden, haben keine Chance auf die von der UNO-Charta vorgeschriebene Mehrheit.

Diese Aussicht gibt es allerhöchstens für Modelle einer Erweiterung des Rats lediglich um nichtständige Mitglieder. Dazu zählt möglicherweise auch die Variante, dass einige nichtständigen Mitglieder (darunter auch Deutschland) nicht nur für zwei, sondern für vier Jahre dem Rat angehören. Doch das haben die Regierungen in Berlin und Tokio bislang immer als „völlig unzureichend“ und „diskriminierend“ abgelehnt.