Frostiger Empfang im Staatsgästehaus

Bei seinem Chinabesuch blitzt Japans Außenminister mit seiner Forderung nach einer Entschuldigung und Schadenersatz von Seiten Pekings ab. Die antijapanischen Proteste dauern an. Doch es scheint, dass Chinas Regierung diese eindämmen will

AUS PEKING GEORG BLUME

Chinesische Proteste gegen Japan hat es immer gegeben, japanische seit Jahrzehnten nicht mehr – zumindest auf Regierungsebene. Das ist heute anders. Japans Außenminister Nobutaka Machimura war gestern in Peking, um von China eine Entschuldigung und Schadenersatz für Beschädigungen zu fordern, die Steinewerfer vor einer Woche an der japanischen Botschaft verursachten. Entsprechend frostig begrüßte der chinesische Außenminister Li Zhaoxing seinen Amtskollegen: „Die chinesische Regierung hat nie etwa getan, für das sie sich beim japanischen Volk entschuldigen müsste“, sagte Li beim Empfang im Pekinger Staatsgästehaus.

Vor seiner Abreise nach China hatte Machimura vor ernsten Rückschlägen in den japanisch-chinesischen Beziehungen gewarnt. Wirtschaftsminister Shoichi Nakagawa drohte China sogar mit Investitionskürzungen.

Die japanische Außenpolitik entwickelt eine unvermutete Rage. Das ist Ausdruck ihrer Verzweiflung über die antijapanischen Proteste in China. Das dritte Wochenende in Folge gingen am Samstag zehntausende Chinesen gegen die von Japan angestrebte Aufnahme in den Weltsicherheitsrat und die von ihnen als unzureichend empfundene japanische Vergangenheitsbewältigung demonstrieren. „Die japanischen Invasoren müssen sterben“, riefen 10.000 Demonstranten in Schanghai. Sie warfen Steine auf das japanische Konsulat, rissen Schilder japanischer Restaurant ab, beschädigten japanische Autos und verletzten nach Angaben der japanischen Botschaft zwei japanische Passanten. Ähnliche Proteste mit bis zu 10.000 Teilnehmern wurden aus Shenyang, Hangzhou, Tianjin und Shenzhen gemeldet.

Die Stadtregierung Schanghais machte Tokio für die Ausschreitungen verantwortlich: „Japans falsche Einstellung zu seiner Invasionsgeschichte ist Auslöser für den Ärgers der Menschen“, sagte ein Regierungssprecher. Dagegen betonte Exaußenminister Tang Jiaxuan gegenüber der japanischen Nachrichtenagentur Kyodo, dass trotz der „komplizierten Lage“ eine Verbesserung der Beziehungen möglich und im Interesse beider Seiten sei. Tatsächlich mehren sich die Anzeichen, dass die chinesische Regierung den Protest zum Schweigen bringen will. In Peking wurden die Rädelsführer vergangener Demonstrationen von der Polizei verwarnt. Bei weiteren Protesten wurde ihnen mit Haft gedroht. In Guangzhou lösten Sicherheitskräfte eine Gruppe von Demonstranten auf. Es hatte den Anschein, als würden die Behörden eine Großdemonstration pro Großstadt dulden – nicht mehr. Peking und Guangzhou blieben an diesem Wochenende ruhig. Ein Leitartikel in der Volkszeitung rief zur „Wahrung der sozialen Stabilität“ auf.

Doch wäre die Vorstellung, dass die Proteste soziale Breitenwirkung zeigen, ohnehin falsch. Für chinesische Verhältnisse blieben die Demonstrationen relativ schlecht besucht. Unter der Woche demonstrierten in der Provinz Zhejiang 30.000 Bauern gegen die Vergiftung ihrer Felder durch lokale Chemiefabriken. Ihr Protest wurde kaum bemerkt.

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