: Ökumenisch durch Abstraktion
KUNST Im Bremer Dom ist eine Ausstellung zu Werk und Leben des Oldenburger Künstlers Max Herrmann zu sehen. Die Jahre zwischen 33 und 45 sind darin eine Leerstelle
von Andreas Schnell
Zuerst einmal müssen wir Abbitte leisten: Laut taz vom 15. Januar ist die Ausstellung von Max Herrmann die erste unter der Leitung der neuen Leiterin des Dommuseums, Henrike Weyh. Was nur die halbe Wahrheit ist. Denn die Ausstellung „Im Geiste offen – Der Künstler Max Herrmann und ein Werk“ ist ein Projekt von Studierenden des Masterstudiengangs Kunst- und Kulturvermittlung an der Uni Bremen.
Auch nur die halbe Wahrheit ist indes, dass das Dommuseum ein „Ökomenisches Museum für bremische Kirchengeschichte“ ist, wie es irrtümlich auf der Internetseite zur Ausstellung heißt. Denn natürlich muss es ökumenisch heißen. Aber wir wollen nicht kleinlich sein. Denn natürlich ist es kein geringes Unterfangen für eine Gruppe von Studierenden, unter den gegebenen Umständen eine solche Ausstellung zu präsentieren. Zumal, wenn sie dem Werk eines Künstlers gewidmet ist, dessen Werk nicht zuletzt aus Kirchenfenstern besteht, die man ja nicht mal eben an einem Ort zusammentragen kann. Davon gibt es allerdings eine Menge. In Oldenburg und in Ostfriesland, in Delmenhorst und Ganderkesee sind Herrmanns Farbfenster zu bewundern.
Ein weiteres Problem: Das, was die Studierenden zusammengetragen haben, sprengt die Kapazitäten des Dommuseums. Weshalb ein Teil der Exponate in der Ostkrypta sowie links vom Altar ausgestellt sind. Auf diese Weise, und das ist durchaus reizvoll an dem Ausstellungskonzept, treten Herrmanns Werke auf verschiedene Weise in Dialog mit dem Raum und der dort bereits vorhandenen sakralen Kunst, während im Museum auch ein biographischer Teil untergebracht ist, der in groben Zügen Einblick in das Werk des Künstlers bringt.
Dabei erstaunt nicht zuletzt eines: Dass der 1908 in Halle an der Saale geborene und 1999 in Oldenburg gestorbene Herrmann als Schüler von Otto Dix, Max Beckmann und Gerhard Marcks in den Jahren zwischen 1933 und 1945 offenbar keine handfesten Probleme mit den regierenden Nationalsozialisten hatte. Der Lebenslauf im Ausstellungskatalog vermerkt dazu überraschend wenig: 1933 übernahm Herrmann für zwei Jahre Kunstunterricht und Chorleitung an der Volkshochschule im oldenburgischen Husbäke, studierte von 1935 bis 1937 Orgel in Leipzig, von 1937 bis 1973 habe er im Nebenberuf als Musikerzieher an der Hochschule für Lehrerbildung gearbeitet und bis 1949 als Chorrepetitor am Oldenburger Staatstheater. Zwischen 1940 und 1945 war Herrmann Soldat, von einer schweren Kriegsverletzung ist weiterhin die Rede und davon, dass ausgerechnet sein Haus als eines von nur wenigen Oldenburger Häusern zum Ende des Weltkriegs zerbombt wurde, wobei sein gesamtes bis dahin geschaffenes Werk vernichtet wurde. Als Künstler scheint er zumindest keine praktischen Probleme mit der nationalsozialistischen Regierung gehabt zu haben.
Jörg Michael Henneberg, wissenschaftlicher Mitarbeiter der Oldenburgischen Landschaft, Kenner der Oldenburger Szene, bezeichnet Herrmann als unpolitischen Menschen, der die Zeit gewissermaßen im „Winterschlaf“ überstanden habe. Als Sympathiegänger könne man Herrmann allerdings nicht bezeichnen. Außerdem dürfe bezweifelt werden, ob seine Bilder die Gnade der Oberen gefunden hätten, orientierte er sich doch seinerzeit noch an seinem Lehrer Max Beckmann.
Von diesem Teil seines Werk ist aus erwähntem Grund so gut wie nichts erhalten. Was im Dom zu sehen ist, ist überwiegend abstrakte sakrale Kunst, die „die Darstellung des Konkreten“ verweigere, wie es im Katalog zur Ausstellung heißt, und zu verstehen gebe, „dass wir uns bei der Suche nach einer Erklärung für das Verhältnis von Gott und der Welt auf keinen allen gemeinsamen Glauben mehr berufen können“.
In diesem Sinne erweist sich Herrmann natürlich als ökumenischer Künstler im besten Sinne, denn seine Spiritualität ist nicht einmal explizit christlich, auch wenn seine Auftraggeber nicht zuletzt die Kirchen des Nordwestens waren. Wo Herrmann das Abstrakte dann doch zugunsten des Figurativen verlässt, geht es um Werte wie Barmherzigkeit.
Ein biographisch gewiss wichtiger Nebenaspekt seines Werks sind verschiedene Keramikarbeiten, die in Zusammenarbeit mit seiner Lebensgefährtin Helga Brandhorst, die auch den Studierenden bei der Konzeption der Ausstellung zur Seite stand, in den letzten Lebensjahren des Künstlers entstanden. Hier betrat Herrmann noch im vorgerückten Alter Neuland, wusste er doch nicht, wie die Farben wirken würden, nachdem sie aus dem Brennofen kamen.
Das Lebensmotto Max Herrmanns lautete: „Ordnung schaffen. Im Leben Ordnung schaffen und im Bild.“ Wie sich das in seiner Kunst niederschlug, ist vielleicht am schönsten in der Ostkrypta zu sehen, wo in einer Art magischem Viereck ein Gobelin vom „Hilfreichen Menschen“ von vier abstrakten Gemälden in Dialog mit dem ehrwürdigen Raum tritt.
■ bis 11. März, Dommuseum und St. Petri Dom; Mehr Information: www.maxherrmann-bremen.de