Al-Qaida ging in Neuköllner Moscheen auf Rekrutensuche

JUSTIZ Prozessauftakt gegen zwei mutmaßliche Islamisten. Angeklagte wollen nichts sagen

Ein mutmaßliches Al-Qaida-Mitglied aus Wien soll in mehreren Moscheen in Neukölln auf die Suche nach Rekruten für das Terrornetzwerk gegangen sein. Unter anderem in der berüchtigten salafistischen Al-Nur-Moschee soll der heute 22 Jahre alte Maqsood L. laut Bundesanwaltschaft im vergangenen Mai versucht haben, junge Männer zu finden, die bereit sind, den Dschihad zu unterstützen – von Spenden bis hin zu Selbstmordattentaten.

Am Mittwoch hat vor dem Berliner Kammergericht der Prozess gegen Maqsood L. und ein weiteres mutmaßliches Al-Qaida-Mitglied begonnen, den heute 26 Jahre alten Yusuf O. aus Berlin. Die Ankläger werfen den beiden Männern die Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung vor.

Laut Anklage soll der ehemalige Wirtschaftsingenieurstudent Yusuf O. im Mai 2009 zusammen mit einem weiteren Islamisten aus Berlin in das pakistanisch-afghanische Grenzgebiet ausgereist sein, um sich dem bewaffneten Kampf gegen die Nato-Truppen anzuschließen. Im Herbst desselben Jahres tauchte er demnach als Ayyub al-Almani in einem Video der Splittergruppe Deutsche Taliban Mudschahidin auf und drohte mit Anschlägen. „Deutschland befindet sich im Krieg“, soll er dort gesagt haben. „Es ist nur noch eine Frage der Zeit, bis der Dschihad die deutschen Mauern einreißt.“

Doch die ausschließlich aus Kämpfern aus Deutschland bestehende Gruppe ist im April 2010 offenbar auseinandergebrochen, nachdem drei wichtige Mitglieder gestorben sind. Yusuf O. soll sich laut den Ermittlern danach der Terrordachorganisation al-Qaida angeschlossen und dort Maqsood L. aus Wien kennengelernt haben. Ein führender Al-Qaida-Kader soll sie ausgebildet und nach Europa zurückgeschickt haben, wo sie Teil eines Netzwerks werden sollten, dessen genaues Ziel beim Prozessauftakt am Mittwoch aber nach wie vor vage blieb.

Mit „Ausbildungsmaterial“ von al-Qaida, verpackt in verschlüsselten Dateien, die sie zum Teil zur Tarnung unter pornografischen Namen speicherten, sollen sie im Frühjahr 2011 nach Budapest gereist sein. Yusuf O. reiste von dort aus weiter nach Wien, sein mutmaßlicher Komplize Maqsood L. nach Berlin.

Liste mit 13 Personen

Im Gepäck soll er eine Liste mit 13 Personen gehabt haben, die er ansprechen sollte, so die Anklage, dazu Angaben, wie diese aussehen und wo er sie finden kann. So landete er schließlich in der Al-Nur-Moschee und zwei weiteren Moscheen in Neukölln.

Erfolgreich war er mit seiner Rekrutensuche für al-Qaida in der Hauptstadt allerdings nicht. Kurz hintereinander wurden sowohl Maqsood L. in Berlin und Yusuf O. in Wien verhaftet.

Die beiden Angeklagten schwiegen zum Prozessauftakt am Mittwoch im Kriminalgericht Moabit. Einer der Verteidiger wies alle Anschuldigungen zurück – trotz der ziemlich erdrückenden Beweislage. Der Prozess wird an diesem Donnerstag fortgesetzt. WOLF SCHMIDT