Schwarze Zeiten für den Norden

CDU und SPD haben sich in Kiel auf Koalitionsvertrag geeinigt. Kultur, Umwelt und Soziales ohne Priorität. Schulsystem bleibt dreigliedrig. Hauptsache: Es wird gebaut

KIEL taz ■ CDU und SPD haben sich am Samstag in Kiel auf eine große Koalition geeinigt. Der Koalitionsvertrag lässt ahnen, dass Schleswig-Holstein schwarze Zeiten bevorstehen. Die CDU hat sich mit ihren Prioritäten durchgesetzt, die lauten: Gut ist, was Geld spart und was potenziell Arbeitsplätze schafft. Kultur, Umwelt, Soziales rücken in die zweite Reihe.

Unter anderem wird es im verkleinerten Kabinett kein Kultusministerium geben: Kultur wird in der Staatskanzlei angesiedelt. Im Umweltschutz will die schwarz-rote Regierung auf „freiwillige Regelungen setzen“ und alle „naturschutzrelevanten Gesetze“ überprüfen – bereits in ihrem Wahlprogramm hatte die Nord-CDU unter ihrem Landeschef und designierten Ministerpräsidenten Peter Harry Carstensen die „entmündigende Planungshysterie“ der alten rot-grünen Regierung verurteilt.

Wie schon in der vergangenen Woche bekannt wurde, wird es beim dreigliedrigen Schulsystem bleiben. Einzelne Schulen, vor allem bisherige Gesamtschulen, könnten „nach Elternwillen“ in Gemeinschaftsschulen neuen Typs umgewandelt werden – Bildungsexperten wie der Sprecher der GEW in Schleswig-Holstein, Bernd Schauer, erwarten höchstens „Gemeinschaftsschulen superlight“, die wenig von dem erfüllen können, was man sich von dem Modell erhofft hatte.

Dafür wird gebaut im Norden: So soll die Autobahn 7 teilweise sechs Spuren bekommen, neue Flughäfen könnten entstehen oder alte erweitert werden – dieser Punkt ist noch umstritten. Kommen soll offenbar auch eine Brücke über den Fehmarn-Belt. In der Innen- und Sicherheitspolitik weht der Wind von rechts: Unter anderem wird es DNA-Analysen in „geeigneten Deliktsbereichen“ und Videoüberwachung an „polizeilichen Brennpunkten“ geben.

Geplant ist eine Reform der kommunalen Strukturen – allerdings auf freiwilliger Basis. Insgesamt soll die Verwaltung schlanker werden, Landesämter sollen „soweit wie möglich“ aufgelöst werden. Ab August 2006 müssen Beamte eine Wochenstunde länger arbeiten.

Obwohl Carstensen und der SPD-Landeschef Claus Möller vergangene Woche noch gesagt hatten, der Nordstaat sei kein Thema, steht nun im Vertrag, dass eine Wirtschafts- und Verwaltungsregion mit Hamburg geplant ist. Die drei Oppositionsparteien im Kieler Landtag, Grüne, FDP und SSW, kritisierten den Vertrag. Die Ergebnisse seien mager, ein großer Wurf nicht erkennbar. ESTHER GEISSLINGER

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