„Kein Geld, nur Mut und Glaube hatten wir“

Frauen in Afghanistan brauchen einen starken Willen, meint die junge Regisseurin von „Three Dots“, Roya Sadat. Bis zum 24. April zeigt das Kölner Afghanistan Filmfestival Spielfilme und Dokumentationen aus und über Afghanistan

Roya Sadats Regiedebüt „Three Dots“ erzählt die Geschichte einer allein stehenden Frau, Gul Afrooz, die in einem Dorf im Nordwesten Afghanistans lebt und versucht, ihre drei Kinder durchzubringen. Not, Dürre und Hunger prägen das Leben der Familie. Kein Wort wird im Film zwischen der Mutter und den Kindern gewechselt. Der Überlebenskampf zerstört auch die Kommunikation.

taz: Frau Sadat, ist die Geschichte Gul Afroozs exemplarisch für die afghanischer Frauen, die auf dem Land leben?

Roya Sadat: In der langen Dürrezeit mussten sich auf dem Land viele mittellose Frauen durchs Leben schlagen. Sie waren nicht nur der Naturgewalt ausgesetzt, sondern auch der Willkür des Khans, des Befehlshabers in der Region. Von diesen Warlords wurden sie gezwungen, als Drogenkuriere zu arbeiten. Während des Drehs haben ihre Anhänger auch uns Schwierigkeiten bereitet. Am sechsten Drehtag haben uns einige bewaffnete Stammeskrieger gezwungen, die Gegend zu verlassen. Sie meinten, wir seien Fremde und würden ihre Frauen negativ beeinflussen. In dieser Region gibt es nicht mal Fernsehen. Die Stämme hatten keine Erfahrung mit einem Filmstab, bei dem Männer und Frauen zusammen arbeiten.

Wie sieht diese Zusammenarbeit zwischen Männern und Frauen in einem afghanischen Filmstab aus?

Genauso wie in einem schlecht ausgerüsteten, nicht voll besetzten, unter dem Mangel an Professionalität leidenden Filmteam in jeder Ecke der Welt. Nur Mut und Glaube hatten wir. Uns fehlte fast alles: Geld, Beleuchtung, professionelle Hilfeleistung. Ärger hatten wir aber reichlich.

Was ist passiert?

Zwei Jahre lang habe ich nur nach einer jungen Frau gesucht, die die Hauptfigur darstellen sollte. Unter der Bedingung, dass Gul Afrooz im Film keine langen Dialoge mit den Männern führen dürfte, erklärte sich ihr Mann mit ihrer Rolle einverstanden. Nach zehn Drehtagen hatte er seine Meinung geändert: Gul Afrooz musste nach Hause. Sie hat aber weiter gespielt. Ohne ihren starken Willen und ihr Engagement wäre unser Projekt zum Scheitern verurteilt gewesen.

Abgesehen von technischen Problemen lebt „Three Dots“ von einer Aura der Authentizität. Geht der Trend im afghanischen Film in diese Richtung?

Es ist zu früh, von dem afghanischen Film zu sprechen. Es dauert noch eine Weile, bis das afghanische Kino sich findet und sich definieren lässt. Tatsache ist, dass es im Moment versucht, die Wirklichkeit zu zeigen, statt sie zu inszenieren. Wir sind in einer Verarbeitungsphase. Daher beschäftigen wir uns eher mit Not, Elend und Ungerechtigkeit.

Wird diese Entwicklung von außen beeinflusst – etwa vom iranischen Film?

Der Iran und Afghanistan haben, historisch gesehen, eine vergleichbare Kultur und eine gemeinsame Sprache. Die ästhetischen Ähnlichkeiten sind vielleicht auf eben diese Gemeinsamkeiten zurückzuführen. Interview: FAHIME FARSAIE

„Three Dots“, 19.4., 20.30 Uhr, zusammen mit „Voice of Heart“ anlässlich der Verleihung des Förderpreises, Kölner Filmhaus, Maybachstr. 111