Kunden bekommen jetzt Recht

BAHN Reisende haben ab Mittwoch einen gesetzlichen Anspruch auf Entschädigung bei Unpünktlichkeit der Züge. Ab 60 Minuten wird ein Viertel des Fahrpreises erstattet

VON RICHARD ROTHER

BERLIN taz | Zug unpünktlich, dann den Anschluss verpasst, der nächste Zug kommt erst in einer Stunde und hat zehn Minuten Verspätung. Wer nach einer solchen Odyssee 70 Minuten später als geplant an seinem Zielort ankommt, kann derzeit eine Entschädigung bei der Deutschen Bahn beantragen, die das Unternehmen aus Kulanzgründen gewährt. Ab Mittwoch ändert sich das; dann haben die Fahrgäste einen Rechtsanspruch auf Entschädigung. Grund ist das neue Fahrgastrechtegesetz.

Demnach haben Bahnreisende ab 60 Minuten Verspätung Anspruch auf Erstattung von 25 Prozent des Fahrpreises; bisher gewährte die Bahn 20 Prozent. Ab 120 Minuten Verspätung bekommen die Kunden 50 Prozent des Fahrpreises zurück. Ist nachts zwischen 0.00 Uhr und 5.00 Uhr eine Verspätung von 60 Minuten und mehr zu erwarten, können Reisende statt des Zuges Bus oder Taxi benutzen – und bekommen dafür maximal 80 Euro erstattet. Wenn die Zugverspätung auf höhere Gewalt – etwa ein Unwetter oder ein Suizid auf den Schienen – zurückzuführen ist, gibt es keine Entschädigung.

Erstmals gelten auch im Nahverkehr Entschädigungsregeln; interessant ist hierbei aber vor allem die Taxi-Regel für nächtliche Verspätungen. Denn eine finanzielle Entschädigung gibt es wegen der Bagatellregel des Gesetzes nur, wenn die Entschädigung mindesten 4 Euro beträgt. Das heißt, die Fahrkarte muss mindestens 16 Euro kosten. Und das ist im Nahverkehr selten der Fall.

„Dies ist ein guter Tag für alle Bahnfahrerinnen und Bahnfahrer in Deutschland“, sagt Bundesjustizministerin Brigitte Zypries. „Mir war es wichtig, dass wir für den Bahnverkehr kundenfreundliche Regelungen gefunden haben, zugleich aber auch sichergestellt ist, dass die Regelungen nicht zu einer drastischen Erhöhung der Fahrpreise führen und den Wettbewerb verzerren.“

Der alternative Verkehrsclub Deutschlands (VCD) begrüßt die Neuregelung im Prinzip. Bedauerlich sei aber die Bagatellgrenze, so VCD-Chef Michael Gehrmann. „Im Nahverkehr werden Kunden deshalb häufig nichts bekommen.“ Besonders ärgerlich sei, dass die bisher beim VCD angesiedelte „Schlichtungsstelle Mobilität“ Ende November ihre Arbeit einstellen müsse. Sieben Mitarbeiter könnten ihren Job verlieren. Die Stelle, die jährlich etwa eine halbe Million Euro aus dem Bundeshaushalt bekommt, schlichtet außergerichtlich Konflikte zwischen Bahn und Kunden; sie greift etwa ein, wenn ein Fahrgast eine Entschädigung fordert, die Bahn diese aber nicht gewähren will. Ab Dezember wird eine neue Schlichtungsstelle eingerichtet, die von Bahnunternehmen betrieben und finanziert wird. Da keine „Übergabe“ geplant sei, würden die Erfahrungen der bisherigen Schlichtungsstelle entwertet, kritisierte Gehrmann. „Das ist eine Verschwendung von Steuergeldern.“ Zudem sei die Schlichtung von Streitfällen im Flugverkehr künftig nicht mehr geregelt.