Für Rüstung wenig, für Entwicklung aber viel

Schwerter zu Pflugscharen: Mit den Geldern für die Raketenabwehr ließe sich die Entwicklungshilfe kräftig ausbauen

BERLIN taz ■ Ein Rüstungssystem für 875 Millionen Euro? Wenig im Vergleich zu den Milliardensummen, die sonst bei Raketen zusammenkommen. Viel jedoch, wenn man die 875 Millionen in den Kontext der Entwicklungshilfe stellt. Mit dem Geld könnte die Bundesregierung den Anteil ihrer Entwicklungshilfe am Bruttonationalprodukt (BNP) um 0,04 Prozent steigern. Derzeit macht diese etwa 0,27 Prozent des BNP aus. Plus 0,04 Prozent – das wären immerhin 0,31 Prozent. Und damit beinahe die 0,33 Prozent, welche die Regierung 2006 erreichen muss, um ihr Versprechen gegenüber UNO und EU einzuhalten.

Um Zahlen, Fristen und deren Verbindlichkeit dreht sich die neueste Debatte über das Engagement von Rot-Grün für die armen Länder. Der Bundeskanzler, sein Außenminister und zuletzt auch UN-Botschafter Gunter Pleuger versichern vor ausländischen Kollegen immer wieder, Deutschland werde seine Leistungen an Entwicklungsländer bis 2015 auf 0,7 Prozent steigern. Das ist notwendig, um die UN-Ziele zur Halbierung der Armut zu erreichen. Und es klingt gut aus dem Mund eines Regierungschefs, der sich für sein Land einen ständigen Sitz im UN-Sicherheitsrat erhofft.

Bei einer so großen Volkswirtschaft wie der deutschen macht das etwa 45 Milliarden Euro, die bis dahin aufgebracht werden müssen. Finanzminister Eichel zittern die Knie, weshalb er am Wochenende die großzügigen Versprechen seiner Kabinettskollegen relativierte.

Differenzen innerhalb der Regierung? „Von der Presse konstruiert“, glätteten gestern die Sprecher der einzelnen Ministerien die Wogen. Auch der Finanzminister sei für die Erhöhung. Allerdings müssten neue Finanzierungsquellen erschlossen werden, etwa eine Steuer auf Flugbenzin. Hier allerdings ist eine EU-Einigung nicht in Sicht. Schröders Sprecher Hans Langguth betonte, die Zusage des Kanzlers, bis 2015 die Hilfe auf 0,7 Prozent zu erhöhen, sei „verbindlich“. Die Haushaltssituation sei aber zu berücksichtigen. Im Klartext: Deutschland wird nur dann 0,7 Prozent des BNP an arme Länder überweisen, wenn alle Haushaltslöcher gestopft sind oder wenn das Geld woanders her kommt. Schon jetzt ist die Regierung erfinderisch, wenn es darum geht, die Entwicklungshilfe zu steigern, ohne mehr Geld auszugeben. So ist die jüngste Steigerung auf einen Schuldenerlass zurückzuführen – Schulden, die zum Teil ohnehin nicht bedient worden wären.

KATHARINA KOUFEN