Der Mitfühltourist

Mitmischen wollte er bei den Protesten im Iran. Ein Bayer flog nach Teheran. Und wieder zurück

Immer wieder seien die Fragen aufgetaucht. Nach Zivilcourage und Unterstützung. Eine Strategie hatte er nicht, nur diese irre Idee: Als Andreas Moser, 34, in den Nachrichten die Bilder der verprügelten Oppositionellen aus dem Iran sah, beschloss er, mitzumischen.

Der Anwalt aus dem bayerischen Vilseck reiste vor sieben Monaten zum ersten Mal für zwei Wochen durch das Land, jetzt bucht er wieder einen Flug dorthin, Frankfurt–Dubai–Teheran für 311 Euro.

So günstig ist heute die Teilnahme an einer fernen Revolution. Und verglichen mit dem deutschen Nachmittagsfernsehen natürlich auch halbwegs spannend. Warum er nicht geblieben sei und hier demonstrierte? Oder konnte er der Lust am Abenteuer nicht widerstehen? „Ich wollte mir meinen eigenen Eindruck machen“ erklärt er. Triebfeder sei seine Neugierde gewesen.

Am 22. Juni landet Moser in Teheran und ist zunächst enttäuscht. Er sieht keine Demonstranten und Schläger, alles scheint ruhig. Sein Reiseführer hilft ihm auch nicht weiter, die Landesprache Farsi beherrscht er nicht. „Deutschen, die sich in Iran aufhalten, wird empfohlen, größere Menschenansammlungen und politische Kundgebungen weiträumig zu meiden“, rät das Auswärtige Amt. Dem Mitfühltouristen Moser ist das alles egal. Als er von einer Kundgebung erfährt, macht er sich auf den Weg dorthin. „Tod dem Diktator“, so sein Motto.

„Es war wahnsinnig spannend“, bei der Demonstration habe er in der ersten Reihe gestanden. Dann sei er von Polizisten verprügelt worden. „I am a tourist“ habe er immer wieder geschrien. Es interessierte keinen, er musste davonrennen. Am nächsten Tag wird er aus dem Auto eines Bekannten gezerrt. Mitarbeiter des iranischen Geheimdienstes zwingen ihn in einen Geländewagen, nehmen ihm sein Handy ab, verbinden Mosers Augen.

Er ahnt nicht, dass er im berüchtigtem Evin-Gefängnis am Teheraner Stadtrand gelandet ist, wo die Aufmüpfigen des Landes einsitzen. 2007 wurde in Deutschland das Buch von Marina Nemat veröffentlicht. Als 16-Jährige wurde sie 1982 wegen kritischer Texte in der Schülerzeitung für zwei Jahre in das Gefängnis eingesperrt. Dort wird sie gefoltert, vergewaltigt, muss zum Islam zu konvertieren. Moser kennt dieses Buch nicht.

Seine Zelle misst etwa 1,70 mal 3 Meter, mit einer Toilette, einem Waschbecken und zwei Glühbirnen. Ein Bett gibt es nicht, nur drei graue Wolldecken. Er habe sich schon gefürchtet, mehrere Jahre dort verbringen zu müssen. Das Delikt, das ihm vorgeworfen wird: Moser soll an einer Verschwörung zum Schaden der Islamischen Republik beteiligt gewesen sein. Am vierten Tag, nachts um eins, wird er einem Richter vorgeführt. Der habe sich bei ihm entschuldigt, es sei alles eine Verwechslung gewesen und er im Iran immer willkommen, er könne jetzt gehen. Moser wurde trotzdem für zwei weitere Tage ins Gefängnis zurückgebracht. Warum? Er weiß es nicht. Am 30. Juli durften ihn Bekannte abholen und Moser kann endlich zur deutschen Botschaft. Am Mittwoch, dem 1. Juli, fliegt er nach Hause.

In den Iran will er vorerst nicht mehr. CIGDEM AKYOL