SCHOCK IM KINO
: Feindinnen

Es ist nicht persönlich gemeint, sonst wäre es ja „Uliverachtung“

Im Kino in der Kulturbrauerei suchen wir unsere nummerierten Sitzplätze. Ich setze mich auf den mir gemäß meiner Kinokarte zugewiesenen Sessel neben zwei mir unbekannte Frauen. Ganz vorsichtig lasse ich mich nieder, bin dabei still und stinke auch nicht.

Doch mein Hintern hat das Polster kaum berührt, da entfährt der einen „Oh nö!!“, woraufhin sich beide ohne die geringste weitere Absprache untereinander zügig erheben und mehrere Plätze weiter links hinsetzen. Zur Erinnerung: Ich habe mich nicht vor sie hingesetzt und auch nicht auf sie drauf, sondern neben sie. Aber gerade, weil ich merke, dass mich ihre Reaktion auf meine schlichte Existenz ärgert, ja nachgerade betroffen macht, muss ich zugeben, dass sie das schon sehr gut hingekriegt haben: Ohne jede Geste, Beleidigung, vermutlich auch Mimik – die habe ich zumindest nicht beobachtet – gelingt es ihnen, über zwei kleine, wie beiläufig hingeworfene und an sich relativ neutrale Wörtchen ein Höchstmaß an subtiler Menschenverachtung zu transportieren.

„Höchstmaß“, weil sie offenbar gar nicht speziell mich ablehnen, geschweige denn auch nur ansehen. Es reicht, dass ich da bin, dass da überhaupt nur irgendjemand ist. Es ist nicht persönlich gemeint, sonst wäre es ja „Uliverachtung“, doch zu so etwas reicht es hier noch nicht einmal, deswegen auch ganz allgemein „Menschenverachtung“. Und „subtil“, weil, weil?, „subtil“ nehme ich hiermit zurück.

Ich brauche eine ganze Weile, um den ersten Schock zu verdauen, stumm in mich hineinzuweinen und anschließend die Tränen zu trocknen. Doch dann starre ich grimmig durch die Dunkelheit in Richtung der beiden Menschenfeindinnen. Die sind schon rein akustisch nicht zu verfehlen: Laut knuspern sie an irgendeinem Scheißkram für Vollidioten. Wenigstens nicht mehr direkt neben mir.

ULI HANNEMANN