Oben ohne im Januar

BEACHVOLLEY Nach Bällen hechten im Sand? Braucht’s dazu nicht Sommer und Sonne? Von wegen: Auch im Winter baggern, pritschen und schmettern Berliner – in der Beach-Halle. Einige nur zum Spaß, andere suchen die sportliche Herausforderung

■ Beim Beachvolley bilden zwei Spieler ein Team. Bevor der Ball übers Netz muss, können sie ihn sich zweimal zupassen. Wie beim Volleyball werden Punkte durch Fehler des Gegners oder Bodenberührung des Balls im Feld der Gegner erzielt. Ob Auf- oder Rückschläger: Jeder Punkt zählt. Ein Satz geht bis 21, der Gewinner braucht aber 2 Punkte Vorsprung.

■ Besonderheit beim Beachvolley: Gepritscht werden darf weder bei Aufschlagannahme noch über das Netz. Auch spezielle Schlagtechniken gibt es: Mit einem „Poke“ überlupft der Angreifer den Blockspieler, indem er den Ball mit den Fingerknöcheln spielt. „Cross“ sind diagonal geschlagene, „line“ parallel zur Seitenlinie geschlagene Bälle. Der Spielpartner zeigt dem Aufschläger durch Fingerzeichen an, ob er „line“ oder „cross“ blocken wird. Der „Cut“ ist ein extrem kurzer Angriffsball. Beim „Tomahawk“ wehrt man den Ball mit aneinandergelegten Händen in Kopfhöhe ab.

VON MORITZ FÖRSTER

Mitte des ersten Satzes reißt sich Alf Arnold das T-Shirt vom Leib. Im Finale des Winter-Ranglistenturniers tragen er und seine Partnerin Sandra Wiegner eine Art Privatduell gegen Tobias Laue und Isa Dobberphul aus, die in den Spielen der Vor- und Zwischenrunde noch gesiegt hatten. Aber jetzt, im Endspiel, läuft es für Arnold mit befreitem Oberkörper gleich viel besser. Am Ende gewinnen er und Wiegner in zwei Sätzen.

Das Mixed ist eins von sechs Ranglistenturnieren in der Beachvolleyball-Halle in Wartenberg: Die Teams sammeln Punkte für die Finalrunde am 1. April. Ähnliche Wettkämpfe finden auch bei den Damen und den Herren statt. Die Mannschaften, pro Turniertag meist 16, spielen dabei jeden einzelnen Platz aus.

Leere Hallen suchen Nutzer

Beachvolley im Winter ist kein Sport mit allzu langer Tradition. In Wartenberg liegen die Anfänge nur sieben Jahre zurück. Es war im Jahr 2004, als Jörg Bohn und Volker Apitzsch beschlossen, die einstige Turnhalle im Norden von Lichtenberg umzubauen. Die beiden kannten sich seit ihrem Abitur 1984 an der Immanuel-Kant-Schule. Zwanzig Jahre später waren die Schülerzahlen im Osten rückläufig, und die Bezirksämter suchten neue Verwendungen für verwaiste Hallen. Als die Freunde davon erfuhren, war der Entschluss schnell gefasst: „Die Idee hatte ich schon länger“, erzählt Bohn, selbst begeisterter Hobbyspieler.

Auch als Sommer-Trendsport hatte sich Beachvolleyball erst um die Jahrtausendwende in Berlin durchgesetzt. Bohn organisierte seit 2001 in Lichtenberg nebenberuflich einige Felder im Freien. Als die Stadt den Umbau der Wartenberger Halle 2005 genehmigte, ging es ganz schnell: Aus einer Kiesgrube im Westharz ließen sich die beiden Jungunternehmer 350 Tonnen Sand anliefern und schufen innerhalb von acht Wochen eine Beach-Halle mit vier Feldern: „Wir hatten nicht viel Geld und haben fast alles selber gemacht“, erinnert sich Bohn. Inzwischen haben die Geschäftspartner eine zweite Halle in Marzahn aufgemacht. Gerade die Abende sind oft ausgebucht.

Die meisten Spieler kommen ganz ohne Umweg über den Hallenvolleyball zum Beach-Sport

Am frühesten dran mit der Indoor-Variante des sommerlichen Sports waren die Betreiber einer Traglufthalle in Prenzlauer Berg. 1997 eröffnet, wurde sie zehn Jahre später von einem Sturm zerstört. Den ersten größeren Schub erhielt das Angebot 2002: Eigens für den Beachsport errichtete Stephan Eckardt eine Halle mit sieben Feldern in Wittenau. Einen vergleichbaren Spielort hatte damals nur Witten im Ruhrgebiet.

Zuvor hatte der Pionier die Freiluftanlage „BeachMitte“ aufgebaut – er wusste also, wie gern die Berliner „beachen“: Hatten sich 1996 noch einige Sportler im Rahmen der Hochschule zusammengetan – auch Eckardt stand damals fast täglich auf dem Platz –, war die Anlage an der Chausseestraße 1998 schon zwölf Felder groß. Inzwischen wird im Sommer am Nordbahnhof auf fast 60 Feldern gespielt, rund 2.500 Teams waren letzten Sommer bei Turnieren am Start.

Für Eckardt war um die Jahrtausendwende klar, dass Berlin auch einen Winterspielort braucht: „Es ging ja zusätzlich um die Frage, ob Beachvolleyball etwas Eigenes ist – oder nur das Sommervergnügen vom Hallenvolleyball.“ Heute bezeichnet der Unternehmer und einstige Langzeit-Sportstudent das Berliner Beach-Angebot gerade in seiner Breite als „bundesweit einzigartig“. Die meisten Spieler kommen hier ganz ohne Umweg über den Hallenvolleyball direkt zum Beach-Sport.

Aufgrund der Konkurrenz durch die Hallen in Wartenberg und Marzahn hat Eckardt sein Konzept inzwischen überdacht. „Das Motto lautet: Spaß am Strand“, sagt der Geschäftsführer der bundesweit größten Beach-Halle: „Wir haben in Deutschland eine Grundsehnsucht nach Sonne und Wärme.“ Im BeachCenter tollt eine achtköpfige Mädchengruppe beim Beach-Soccer im Sand, während nebenan ein Kinderkurs mit Bällen spielt. Der Fun- und Eventcharakter steht im Vordergrund: Firmen mieten sich für Beachpartys ein und Pärchen für eine Winterhochzeit im Sand.

■ In der Beach Zone in Wartenberg und Marzahn kostet ein Platz pro Stunde zwischen 8 und 24 Euro, je nach Uhrzeit. Neben den Ranglisten-Turnieren gibt es auch regelmäßig Fun-Turniere. Die Startgebühr beträgt 20 Euro pro Team.www.beach-zone.de (0 30) 96 06 63 32

■ Im BeachCenter Wittenau beträgt die Platzmiete zwischen 25 und 36 Euro/Stunde. A-Lizenztrainer bieten hier Kurse an.www.beachberlin.de (0 30) 41 40 88 88

■ Auch Beach61 hat in diesem Winter wieder eine Halle eröffnet. Die Halle mit acht Spielfeldern liegt in unmittelbarer Nähe zur O2-Arena. Ein Platz kostet zwischen 20 und 30 Euro/Stunde. Fun-Turniere mit je 16 Teams finden samstags um 9.30 und 16 Uhr statt. Die Teilnahme kostet 28 Euro pro Team.www.beach61.de 01 77 / 2 32 24 61

■ Mehr zu Turnieren und Hallen in Berlin und Brandenburg unter www.beachvolley-bb.de

Spaß im Vordergrund

Auf den Ranglistenturnieren im Osten der Stadt sind derweil zwar sportlich ambitionierte Paarungen dabei, aber auch hier steht der Spaß im Vordergrund. Und wenn Alf Arnold – halblanges Haar, groß gewachsen – durch die Halle hechtet, hat das ein bisschen was von Sommerurlaub in Südfrankreich.

Draußen tropft unterdessen kalter Nieselregen auf grauen Beton, Plattenbauten ragen in den Himmel: Sobald die „Beacher“ auf ihrem Heimweg zur S-Bahn-Endstation Wartenberg schreiten, werden sie sich in ihren Wintersandkasten zurücksehnen.