Immobilienriesen sparen sich Steuern

SHARE DEAL Weil große Investoren einen legalen Trick anwenden, bleiben viele Immobiliengeschäfte steuerfrei. Dem Finanzsenator geht dadurch jedes Jahr ein hoher Millionenbetrag flöten

„Man sollte schleunigst einheitliche, niedrige Steuersätze festlegen“

RAINER SCHRÖDER, HUMBOLDT-UNI

VON TORSTEN LANDSBERG

50 Millionen Euro Mehreinnahmen im Jahr verspricht sich Finanzsenator Ulrich Nußbaum (parteilos) durch die zum 1. April geplante Erhöhung der Grunderwerbssteuer. Im klammen Berlin ein Grund zur Freude. Dabei müsste sie sich in Grenzen halten – denn während Privatleute beim Immobilienkauf künftig mehr drauflegen müssen, bleiben die wirklich dicken Brocken von der Erhöhung unberührt.

Grund dafür ist der „Share Deal“, eine Form des Unternehmenskaufs. Beim Kauf von Immobilien und Grundstücken machen besonders Großinvestoren gerne Gebrauch davon. Kommt ein Share Deal zur Anwendung, erwirbt der Käufer nicht das jeweilige Objekt, sondern Anteile an einer Gesellschaft, in deren Besitz das Objekt ist – und offiziell verbleibt. Rechtlich ist das einwandfrei: Es handelt sich um einen Rechtskauf nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch. Erwirbt der Käufer weniger als 95 Prozent der Anteile, ist der Kauf von der Grunderwerbsteuer befreit. Gängige Praxis ist bei solchen Geschäften daher, 94,9 Prozent zu erwerben.

Genaue Angaben über die Summen, die dem Fiskus dadurch entgehen, gibt es nicht. „Das lässt sich nicht beziffern, weil es bei diesen Käufen keine Anzeigepflicht gibt“, sagt Philip Husemann, Sprecher der Senatsverwaltung für Finanzen. Experten wie Markus Gruhn, Vorsitzender des Berliner Landesverbands des Rings Deutscher Makler (RDM), gehen jedoch davon aus, dass dem Land Berlin aufgrund von Share Deals jedes Jahr ein dreistelliger Millionenbetrag durch die Lappen geht.

Gruhn ist nicht prinzipiell gegen eine Erhöhung der Grunderwerbsteuer. Das Land brauche Geld, um seine Aufgaben erfüllen zu können, sagt er. „Wenn aber Tante Erna für ihre mühsam zusammengesparte Dreizimmerwohnung die Steuer zahlt und Heuschrecken davon befreit sind, haben wir ein Gerechtigkeitsproblem.“

Ein Beispiel: Angenommen, der Verkauf des Sony Centers mit einem kolportierten Verkaufswert von 600 Millionen Euro vor zwei Jahren ist über einen Share Deal abgewickelt worden, so wären dem Fiskus nicht weniger als 27 Millionen Euro entgangen.

Der RDM fordert die Besteuerung von Share Deals, auch um eine Senkung des allgemeinen Steuersatzes zu ermöglichen. Aktuell 4,5 Prozent zahlt ein Käufer beim Erwerb einer Wohnung, eines Hauses oder eines Grundstücks in Berlin, ab April sollen es 5 Prozent sein. Das Abgeordnetenhaus muss noch darüber abstimmen. Gruhn geht nicht davon aus, dass Investoren im Falle eines steuerpflichtigen Erwerbs aus Berlin abwandern würden. „Dafür ist Berlin viel zu interessant und im internationalen Vergleich zu billig.“

Auch Rainer Schröder, Professor für Immobilienrecht an der Humboldt-Universität, fordert die Abschaffung des Share Deals. „Man sollte schleunigst einheitliche, niedrige Steuersätze festlegen“, sagt Schröder. Ein niedriger Steuersatz von 2 Prozent etwa würde Investoren nicht abschrecken und zudem Privatleute entlasten. Er berichtet, dass inzwischen sogar im privaten Bereich vom Share Deal Gebrauch gemacht werde – etwa von Eheleuten, die für den Kauf einer Immobilie eine Gesellschaft gründen.

Der RDM-Landesvorsitzende Gruhn sagt, er habe den Finanzsenator bei einem Neujahrsempfang auf die Steuerausfälle durch Share Deals angesprochen. Nußbaum sei sich der Problematik bewusst gewesen. Bei der Frage, ob die Finanzverwaltung den Share Deal angehen will, verweist Sprecher Philip Husemann auf Bundesrecht und folglich die Zuständigkeit des Bundes. Auf Bundesebene, sagt eine Sprecherin des Bundesfinanzministeriums, sei derzeit keine Änderung geplant.

Damit sind die Möglichkeiten des Landes Berlin allerdings noch nicht ausgeschöpft. Um sich die Aussicht auf zusätzliche Millioneneinnahmen offenzuhalten, könnten der Finanzsenator und das Land über eine Bundesratsinitiative Druck auf den Bund ausüben. Dass andere Bundesländer sich dieser Initiative nicht anschließen würden, ist angesichts des zu erwartenden Geldsegens kaum vorstellbar. Es gebe über viele Themen einen grundsätzlichen Austausch zwischen Bund und Ländern, sagt Nußbaum-Sprecher Husemann. Eine „spezifische Initiative“ des Landes Berlin sei aber nicht geplant.