LESERINNENBRIEFE
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Unsere Zukunft wird verspielt

■ betr.: „Minijob heißt Minirente“, Kommentar von Simone Schmollack, taz vom 25. 1. 12

Die Aufforderung an Mütter, unbedingt trotz Kinder ein Leben lang und ohne Pause in Vollzeit berufstätig zu sein, beleidigt diese Frauen. Die Betreuung der Neugeborenen und dauerhafte Zuwendung in den ersten Lebensjahren ist eine Leistung, die notwendig und für die Kinder und somit für die Gesellschaft wertvoll ist. Dass diese Leistung bis heute nicht mit einem sozialversicherungspflichtigen Durchschnittslohn bezahlt wird, das ist der eigentliche Skandal.

Die vorgeschlagene Lösung mit Doppelbelastung des/der Betreuenden mit körperlicher und psychischer Überforderung, mit Verlustängsten und fehlender Persönlichkeitsstärkung der Neugeborenen, der Ein- und Zweijährigen wird keine gute Entwicklung der Gesellschaft zulassen. Nichts weniger als unsere Zukunft wird verspielt, wenn wir nicht besser in unseren Nachwuchs investieren.

Diese Haltung dürfen wir nicht unterstützen. Vielmehr müssen wir alle darum kämpfen, faire Bedingungen für die Elternschaft zu schaffen, sodass auch die Bedürfnisse der Kinder nach gebührender Zuwendung endlich ausreichend berücksichtigt werden können.

WALTRAUD FAASZ, Straubenhardt-Feldrennach

Was in einem Kleinkind vorgeht

■ betr.: „Minijob heißt Minirente“, taz vom 25. 1. 12

Es ist ja richtig, dass man aufhört, die generative Verantwortung individuell auf die Frauen abzuwälzen, und dass Frauen nicht mehr in Berufschancen, Verdienst und Rente dafür benachteiligt werden sollen, wenn sie ihre Kinder, unseren Nachwuchs, versorgen. Es trifft sicher auch zu, dass staatlich geleitete Frühbetreuung für familiär deprivierte Kinder bessere Chancen bietet.

Aber wo wird berücksichtigt, was in einem Kleinkind vorgeht, das noch nicht sprechen oder laufen kann und sich an Trennungen von einer Dauer gewöhnen soll, die seine Fähigkeit, die abwesende Mutter in seiner Vorstellung zu bewahren, überfordert? Das aus der Zeitlosigkeit des frühen Daseins gerissen wird, bevor es eigene Rhythmen ausbilden konnte? Dessen Mutter oder Vater sich deswegen oft mit Schuldgefühlen quält?

Rentengerechtigkeit für Kinderbetreuung, Garantie eines adäquaten Arbeitsplatzes für mehrere Jahre und dafür staatliche Subventionen sind alternativ zum Kitaausbau zu fordern und nicht als „Herdprämie“ zu verunglimpfen. Das Geld dafür wird bei späteren Einsparungen im Gesundheits- und Sozialwesen mit Sicherheit zurückgewonnen. CORNELIA PUK, Herrenberg

Beruf und Mutter ist schwierig

■ betr.: „Immer mehr Frauen droht Altersarmut“ u. a.,taz vom 25. 1. 12

Diese ganze Misere mal in Zahlen zu betrachten, finde ich ja grundsätzlich gut, und dass Sie das Thema überhaupt behandeln, löblich. Aber mir greift es doch zu kurz, wenn schließlich der Tenor ist, dass Frauen besser aufpassen müssen, um nicht in die Altersarmut abzustürzen. Da wird der berufliche Werdegang von Müttern zu Alleingängen gemacht.

Warum greifen Frauen zu Minijobs? Warum nehmen Frauen Teilzeitstellen an? Wie hoch ist der Anteil der Mütter? Seit Jahren wird die unbefriedigende Situation der Kleinkindtagesbetreuung beklagt, und die Kommunen kommen in manchen Regionen nur schleppend dem gesetzlichen Anspruch hinterher. Wie gestaltet sich der Wiedereinstieg in den Beruf für Mütter? Wie rechnet sich eine Tagesbetreuung bei niedrigem Einkommen? Wie kinderfreundlich reagieren Chefs – und Kollegen – auf einsteigende Mütter?

Kurz und gut, Beruf und Mutter ist nach wie vor schwierig, die Gründe für Teilzeit und Minijobs sind vielfältig und ein gesamtgesellschaftliches Problem. Darum meine ich, würde es sich lohnen, das Thema Frauen, Minijobs, Teilzeit und ihre Rente näher und aus verschiedenen Perspektiven zu betrachten.

MONIKA JOHNA, Stuttgart

Hier versagt die Politik

■ betr.: „Die Ostfrau als Vorbild“, taz vom 25. 1. 12

Hier schwingt wieder einmal eine frauenpolitische Linie mit, bei der sich mir der Magen umdreht. Unterstützt wird dies durch das Fazit der vorgestellten Studie: Alle Frauen in die Vollzeitarbeit! Die eigentlich auf eine positive Entwicklung hindeutende Vielfalt der Jobmöglichkeiten bzw. Lebensläufe und Arbeitszeitmodelle wird hier unreflektiert verworfen. Wer sagt denn, dass Teilzeitjobs nicht auch qualifizierte Jobs sind?

Dabei liegt doch die Ursache des Problems unter anderem im seit Jahrzehnten kriselnden Rentenversicherungssystem und eben auch in einer den Zeiten unangemessenen Rentenformel. Sozialpolitik ist immer auch Reflexion der Sozialstruktur und Anpassung der politischen Maßnahmen an diese Struktur. Hier versagt die Politik.

Die Handlungsanweisung in die „private Rentenversicherung“ (Interview mit Annette Mücke: „Frauen sollten genau rechnen“) zu gehen, ist sicher auch nicht zielführend, sondern untergräbt vielmehr das ohnehin schon bröckelnde Solidarsystem der staatlichen Rente. Wir brauchen Modelle, die Antworten auf die sozialen Probleme der Gegenwart und der Zukunft geben. Hierzu zählen Altersarmut genauso wie Armut bei Alleinerziehenden. Bürgerversicherung oder Grundeinkommen könnten die richtigen Ansätze sein. Die Nachkriegsparole „Arbeit für alle“ ist keine zeitgemäße Lösung!

NATALIE PAVLOVIC, Stuttgart