Hofmanns Erzählungen

Er flutet Hamburg, lässt Rosinenbomber über Berlin fliegen und spielt die Dresdner Bombennächte nach: Produzent Nico Hofmann macht Geschichte zu Event-Movies – und kriegt Quote und Preise

VON CLEMENS NIEDENTHAL

Nico Hofmann hat einmal für einen Skandal gesorgt. Für ein Skandälchen zumindest, in kleinen Weilern im großen Pfälzer Wald. Die ziemlich legendäre „Tatort“-Folge „Tod im Häcksler“, bei der Hofmann für Buch und Regie verantwortlich war, platzierte die Kommissarin Ulrike Folkerts und den Dorfpolizisten Ben Becker in einer depressiven Einöde zwischen verfallenen Fachwerkscheunen und dunklem Dickicht, durch das ein kollektiver Mob wütete. Deutschland sei gar nicht so, musste sich Hofmann damals sagen lassen. Auch nicht im finsteren Pfälzer Wald zwischen Kaiserslautern und der Rhein-Neckar-Ebene, in der der 1959 geborene Filmemacher aufgewachsen ist. Deutschland sei ganz anders, plärrten jene, die sich doch nur allzu gut wiedererkannt hatten, um Hofmanns Erzählung metaphorisch zu begreifen.

All das ist nun knappe 15 Jahre her. Und wäre vielleicht keine Erwähnung wert, würde jener Nico Hofmann statt deutschen Wäldern nicht immer häufiger die deutsche Geschichte besichtigen. Würde Nico Hofmann heute nicht Filme produzieren, die nicht mehr nach dem Unheimlichen suchen, sondern das Offensichtliche finden: die Sturmflut von 1962, die Bomben über Dresden, die Rosinenbomber über Berlin. 27 Millionen Euro macht das insgesamt. Mit diesem beinahe amerikanischen Budget verfilmt Hofmanns Produktionsfirma teamworx gerade die drei benannten Kristallisationspunkte deutscher Geschichte für gleich drei deutsche Fernsehsender: RTL, ZDF und Sat.1. Mit Heino Ferch, Felicitas „Lolle“ Woll, den Ulrichs Noethen und Tukur. Die Filme des gebürtigen Heidelbergers sind eben Fernsehereignisse – auf der Besetzungsliste und auf der Wohnzimmercouch. Deutsche Fernsehpreise hat es dafür schon gegeben und auch einen Grimme Preis.

„Der Tunnel“ war ein solches Ereignis. Genauso „Stauffenberg“ oder „Der Tanz mit dem Teufel – Die Entführung des Richard Oetker“. Große, gelungene Fernseherzählungen – wenn man sich einmal auf die Bedingungen des Event-Movie-Genres eingelassen hat. Und das Wort „Ivent-Muvie“ ebenso überzeugend moduliert wie Hofmann selbst. Um im breiten badischen Idiom gleich eine Definition desselben nachzuschieben. So brauche ein Event-Movie „alle Zutaten einer klassischen Heldengeschichte“. Und: „Die Erwartungshaltung an ein solches Programm liegt definitiv bei einer Grenze von Minimum sieben Millionen Zuschauern. Da musst du ganz klar populär erzählen.“

Hofmann, der Produzent, der die Qualität seiner Arbeit zunächst einmal an der Zahl ihrer Adressaten bemisst? Oder doch Hofmann, der Regisseur, für den die Quote zur Herausforderung wurde, weil er Qualitätsfernsehen schon in seinen frühen Filmen für den Südwestfunk aus dem Effeff beherrscht hatte? Damals in den 80ern, als das Privatfernsehen und erst recht die öffentlich-rechtlichen Sendeanstalten noch kein Event-Movie kannten. Inzwischen bestellen längst alle bei Hofmanns 1998 gegründeter Produktionsfirma teamworx. ARD-Sender genauso wie neuerdings RTL, die einen Ausweg aus dem aktuellen Quotentief nun auch im qualitativ hochwertigen Gefühlsfernsehen suchen. Oder eben im gefühlten Qualitätsfernsehen.

Gerade ist Nico Hofmann aus Kalifornien zurückgekehrt. Einer Gegend, die ziemlich gut zu einem Medienmacher passt, der sich augenscheinlich sehr um seinen Körper sorgt. Ein wenig sieht Hofmann aus wie der Modemacher Tommy Hilfiger. Ziemlich alert, ziemlich gebräunt, ziemlich präsent. In Jeans, Cowboystiefeln, Trenchcoat. Und ein wenig wird Hofmanns Grinsen noch breiter, als er am „Luftbrücken“-Set im Flughafen Tempelhof erzählen darf, wie sehr sich die Hautevolee der amerikanischen Fernsehproduzenten dort in Kalifornien für seine deutschen Fernsehgeschichten interessiert hat. Und für den Fernsehmacher, dem so genannte amerikanische Tugenden auf den Leib geschrieben scheinen. Die joviale, im guten Sinne nahbare Art. Das permanente Du, mit dem Hofmann alle und jeden in sein System integriert. Vielleicht eine Masche, dann aber eine auf hohem schauspielerischen Niveau. Hofmann ist eben auch ein Perfektionist.

„Besser hätten wir das auch nicht machen können“, habe man Hofmann jenseits des Atlantiks im Angesicht des „Luftbrücken“-Trailers versichert. Diesseits des Atlantiks gibt es ohnehin kaum einen, der es auch nur genauso gut hinkriegt. Denn auch das ist ein Geheimnis dieser Erfolgsgeschichte: Zwischen den Hachmeisters und Breloers aus der Grimme-Preis-Abteilung und dem tristen 20.15-Uhr-Fernsehalltag klafft eine ziemlich große Lücke, die Nico Hofmann beinahe alleine bespielt. Der Mann für die große, professionell realisierte Fiktion, der sich nun gar der Bombardierung Dresdens zugewandt hat. Und sich auch daran nicht verheben wird.

Ob er trotzdem nicht manchmal zu viel von seinen Heldengeschichten hat, würde man Nico Hofmann gern fragen. Aber dann produziert er einfach einen Film wie Christian Petzolds Schuld-und-Sühne-Parabel „Wolfsburg“. Ganz ohne Helden. Ganz ohne Quote. Und mit unverstellten, nackten Deutschlandbildern. Ziemlich trist sieht es dort auf einmal aus. Fast so wie damals im Pfälzer Wald.