SPRINGER GEHT INS FERNSEHEN – UND DIE POLITIKER KNEIFEN
: Der Konzern mit dem Willen zur Politik

Der Springer-Verlag will sich die Mehrheit an Deutschlands zweitgrößtem Privatfernsehen sichern – der ProSiebenSat.1-Gruppe. Zumindest geht die Branche davon aus, und wenn es nicht diesen Monat geschieht, dann vielleicht nächsten. Das allein zeigt schon, wie weit wir gekommen sind: Dass die gesetzlich bestimmten Medienwächter oder das Kartellamt eine solche Fusion verhindern – damit rechnet erst gar keiner mehr. Die amtierende Bundesregierung hat sich genauso wie ihre Vorgängerin medien- und kartellrechtlich derart verbogen, dass selbst bei einer Megafusion über die bisherigen Grenzen des Medienbusiness hinweg kein Eingreifen mehr denkbar scheint.

Dabei sprechen wir über den mit Abstand größten Zeitungsverlag, der sich den Zugriff auf das Fernsehen schafft. Nicht nur mit der Bild-Zeitung, auch mit diversen Lokalzeitungen ist der Axel Springer Verlag am Markt. Die Mehrheit bei ProSiebenSat.1 würde Springers Zugriff auf die neuerdings „Unterschicht“ genannte nicht akademische Mehrheit der Gesellschaft festigen.

Dem Springer-Verlag geht und ging es beim Journalismus traditionell nicht nur um das Geldverdienen, sondern immer auch um Politik – konservative, rechte, wirtschaftsfreundliche Politik, versteht sich. Nun gibt es in Deutschland auch viele gemäßigte oder gar linke Medien. Aber künftig soll eine einzige Konzernzentrale vielen kleineren Medien gegenüberstehen. Kein anderer Verlag hätte künftig auch nur annähernd die tagesaktuelle Durchschlagskraft des Springer-Konglomerats – und den Willen, seine Macht tagtäglich auch einzusetzen. Aus der Praxis im Hause Springer ist bekannt, dass es klare Anweisungen von oben gibt, was wie zu betrachten und zu kommentieren ist. Die Chefredakteure wissen, was ihre Konzernspitze von ihnen erwartet, und sie sagen es ihren Redakteuren. In den künftig konzerneigenen Sendeanstalten wird dies auch für die Programmdirektoren bis hinunter zu den Nachrichtensprechern gelten – wehe dem, der ins Visier einer solchen Maschinerie gerät! Aber die Politiker scheinen schon vor dem jetzigen, kleineren Springer-Verlag so viel Angst zu haben, dass sie sich nicht mehr trauen einzugreifen. REINER METZGER