DAS ENTSCHEIDENDE DETAIL
: Vom Schlachten der Kuh

ANFALL Peter Frisch, früherer Chef des Verfassungsschutzes, wird bei Günther Jauch ausgelacht

Müsste ein Theologe Günther Jauchs Talkshow vom Sonntagabend in der ARD kommentieren, er würde von einem echten „Kairos-Moment“ sprechen. „Kairos“ bezeichnet den entscheidenden Augenblick, nachdem es nur noch Glauben oder Unglauben geben kann. Und es ging nicht um die FDP, Christian Wulff oder andere derzeit billig zu habende Pappfiguren. Nein, es ging um den Verfassungsschutz, eine der heiligsten Kühe im deutschen Nachkriegsstaat.

Peter Frisch, von 1996 bis 2000 Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz, redete seinen ehemaligen Arbeitgeber um Kopf und Kragen. Wirr, hilflos und nach Luft schnappend versuchte er zum Beispiel zu erklären, warum der VS einen der Haupthelfer des Zwickauer Terrortrios einfach ins Auto steigen und davonbrausen ließ. Das Publikum quittierte es mit schallendem Gelächter.

Dass im öffentlich-rechtlichen Fernsehen der Verfassungsschutz ausgelacht wird, wäre vor kurzem undenkbar gewesen. Für einen Satz, wie Heribert Prantl ihn bei Jauch sagte, „Entweder der Verfassungsschutz ist gefährlich oder überflüssig“, hätte mancher in den 70ern noch den Job verloren.

Leider klatschte das Publikum auch, als die hauptberufliche SED-Kritikerin Vera Lengsfeld die Linkspartei als „verfassungsfeindlich“ titulierte. Aber wenn die Deutschen nicht mehr an ihren Geheimdienst glauben, könnte es zu einer interessanten Wendung bisheriger deutscher Überwachungstradition kommen: Der Blockwart wird zum Antifaschisten. DORIS AKRAP