JUNGE WUTBÜRGER
: Braten und Ragout

Ich würge den letzten Bissen hinunter

Nervosität beim Personal. Die Gruppe Menschen, die soeben das Restaurant betreten hat, sorgt für Aufsehen. Mit bedruckten T-Shirts und professionell gestalteten Protestwimpeln stehen sie im Eingangsbereich, eventuell Farbbomben bereithaltend, mindestens aber Flugblätter. Offensichtlich sind sie Teilnehmer der soeben beendeten „Wir haben es satt“-Demo, die sich gegen industrielle Lebensmittelproduktion und Massentierhaltung starkgemacht hatte.

„Massentierhaltung stoppen!“ steht auf einem der Shirts, „Milch ist Ausbeutung“ auf einem anderen. Anscheinend handelt es sich um militante Frutarier, zumindest jedoch um offensiv agitierende Vegetarier. Ich würge den letzten Bissen Rinderragout hinunter und harre der Dinge, die da geschehen mögen, schließlich steht die Neugier immer am Anfang eines Problems, das gelöst werden will. Bezeichnenderweise ist das Lokal für seine Wiener Schnitzel berühmt, welche hier tagtäglich in großen Mengen über den Tresen gehen. Die fünf warten immer noch, ihrem Alter und Akzent nach zu urteilen sind es herumreisende „Wutbürger“ aus Stuttgart. Auch der eine oder andere Button an der Anglerweste weist sie als Gegner des wohlbekannten Bahnhofprojekts aus. Bisher sind sie mir also durchaus sympathisch.

Endlich verlangen sie einen Tisch und bestellen. „Zweimal Schnitzel, einmal den Schweinsbraten, einmal Rinderragout und für mich die Rinderbrühe!“ Sie erhalten die bestellten Speisen, essen brav auf und zahlen. Schließlich bedanken sie sich für das wunderbare Essen und gehen.

Wenn der milliardenteure Bahnhof in Stuttgart fertiggestellt ist, werden sie wohl die Ersten sein, die dank der besseren Bahnverbindungen die trillerpfeifenbestückten Bürgerdemos der Republik noch schneller und komfortabler erreichen werden.

JURI STERNBURG